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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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Friedensrichter, unnötige Wege zu vermeiden. Dort befinden wir uns zwei Schritte neben Madame Charman und ganz in der Nähe von Trémorels Unterschlupf, denn der Bursche hat seine Wohnung im Viertel Notre-Dame-de-Lorette gemietet.«
    Der Friedensrichter schaute verblüfft drein.
    Â»Was läßt Sie das vermuten?« fragte er.
    Der Detektiv lächelte, als käme ihm die Frage naiv vor. »Sie werden sich gewiß erinnern«, sagte er, »daß der Umschlag des Briefes von Mademoiselle Laurence den Poststempel eines Postamtes in der Rue Saint-Lazare trug. Als Laurence das Haus ihrer Tante verließ, muß sie sich direkt in die von Trémorel gemietete und möblierte Wohnung begeben haben, deren Adresse er ihr gegeben hatte und in der er sie Donnerstag früh treffen wollte. Von dieser Wohnung aus hat sie geschrieben. Ist ihr möglicherweise der Gedanke gekommen, den Brief in einem anderen Viertel einzuwerfen? Kaum, denn sie wußte ja nicht, aus welchem schrecklichen Grund ihr Geliebter Nachforschungen und Verfolgungen fürchten mußte. War Hector vorsichtig und vorausschauend genug, um ihr das zu raten? Nein, sonst hätte er ihr sicher empfohlen, den Brief woanders als in Paris aufzugeben. Der Brief kann nur im Postamt des Wohnviertels eingeworfen worden sein.«
    So einfach war dieser Gedankengang, daß Vater Plantat sich wunderte, weshalb er nicht von selbst daraufgekommen war. Aber in einer Affäre, in der man persönlich stark engagiert ist, sieht man mitunter den Wald vor Bäumen nicht. Zusammen mit seiner Kaltblütigkeit war dem Friedensrichter auch seine Umsicht abhanden gekommen. Er wollte diesbezüglich etwas zu Lecoq sagen, aber der hatte bereits nach Janouille geklingelt.
    Â»Hier«, sagte er zu ihr, als sie eingetreten war, »ist ein Brief, der sofort zu Job gebracht werden muß.«
    Â»Ich werde ihn selbst hinbringen.«
    Â»Mitnichten. Du wirst mir das Vergnügen machen, hierzubleiben, ohne dich von der Stelle zu rühren. Du wartest auf die Männer, die ich heute morgen ausgeschickt habe. Sowie sie eintreffen, schickst du sie zu dem Weinhändler in der Rue des Martyrs, du weißt schon, an der Ecke direkt gegenüber der Kirche. Dort werden sie sich in guter Gesellschaft befinden.«
    Er gab seine Anweisungen und zog dabei seinen Schlafrock aus. Dafür schlüpfte er in eine lange schwarze Redingote und richtete sorgfältig seine Perücke.
    Â»Wird Monsieur diesen Abend noch zurückkommen?« fragte Janouille.
    Â»Ich weiß nicht.«
    Â»Und wenn jemand von dort nach Ihnen fragt?«
    Â»Von dort« hieß für einen Mann aus dem Beruf immer »das Haus« – die Polizeipräfektur.
    Â»Du sagst«, antwortete er ihr, »daß ich wegen der Sache in Corbeil unterwegs bin.«
    Monsieur Lecoq war bereit. Er hatte das Aussehen, die Haltung, die Gesichtszüge und die Manieren eines würdigen Bürovorstehers um die Fünfzig. Goldgeränderte Brille, Regenschirm, alles an ihm duftete nach Büro, wie es bürokratischer nicht sein kann.
    Â»Gehen wir«, wandte er sich an Vater Plantat.
    Im Speisezimmer wartete noch immer Goulard.
    Â»Na, mein Junge, was sagst du zu meinem Wein, wie findest du ihn?« fragte ihn Monsieur Lecoq.
    Â»Wunderbar, Monsieur«, erwiderte der Polizeibeamte aus Corbeil. »Herrlich, wirklich, ein richtiger Nektar.«
    Â»Hat er dich wenigstens munter gemacht?«
    Â»O ja, Monsieur.«
    Â»Gut, dann wirst du uns jetzt in fünfzehn Schritt Abstand folgen und vor der Tür Wache halten, in die du uns hineingehen siehst. Wahrscheinlich werde ich dir ein hübsches Mädchen anvertrauen, das du zu Monsieur Domini bringst. Aber sperr die Augen auf; sie ist eine Durchtriebene und gut und gern fähig, dich unterwegs abzuhängen und dir aus den Fingern zu glitschen.«
    Sie gingen hinaus, während hinter ihnen Janouille sorgfältig die Tür verbarrikadierte.
    * * *
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