Das Verbrechen von Orcival
Es muà so umwerfend sein, daà er es nicht zu erklären wagt. Du Schlitzohr, dachte Lecoq, du muÃt irgend etwas so Ungeheuerliches, so ScheuÃliches wissen, daà du es selbst unter Todesdrohungen nicht preisgibst. Du willst, daà man dich dazu zwingt, es zu enthüllen. Oh, ich werde dich zwingen...
Er ist gerissen, dachte Vater Plantat, er weiÃ, daà ich eine Idee habe, er wird nach ihr suchen und sie finden.
Monsieur Lecoq hatte die Dose mit den Bonbons wieder in die Tasche gesteckt. Seine Eitelkeit als Schüler von Tabaret war angekratzt. Zum Teufel, er spielte eine Partie und muÃte gewinnen.
»Alsdann!« rief er. »Zu Pferde und reicht mir die Hand! Laut Protokoll des Bürgermeisters hat man den Gegenstand gefunden, mit dem hier alles zertrümmert wurde.«
»Wir haben«, antwortete Vater Plantat, »in einem Zimmer in der zweiten Etage, das auf den Garten hinausgeht, eine in einer Truhe steckende Axt gefunden, mit der die Truhe allerdings nicht aufgebrochen wurde; ich habe dafür gesorgt, daà man nichts berührte.«
»Und das haben Sie gut gemacht, Monsieur. Ist die Axt schwer?«
»Sie müÃte etwa ein Kilo wiegen.«
»Perfekt. Kommen Sie.«
Sie stiegen die Treppe empor.
»Ich vermute«, sagte der Friedensrichter, »daà die Spitzbuben die Axt nur eingeschlagen haben, um uns zu verwirren und auf eine falsche Spur zu lenken.«
Monsieur Lecoq sagte nichts und beobachtete.
»Waren die Fenster, die jetzt offen sind, heute morgen ebenfalls geöffnet?« fragte er schlieÃlich.
»Ja.«
»Aha, das ist es. Die Mörder haben im Garten irgendwelchen Lärm gehört und nachgeschaut. Was haben sie gesehen? Ich weià es nicht. Was ich weiÃ, ist, daà das, was sie gesehen haben, sie erschreckt haben muÃ, so daà sie die Axt in die Truhe geschlagen haben und weggelaufen sind. Schauen Sie sich die Axt an, und Sie werden sofort merken, daà sie von einer Person in die Truhe gehauen wurde, die neben dem Fenster und nicht neben der Tür stand.« Vater Plantat überzeugte sich, daà der Beamte recht hatte. Er richtete sich nachdenklich auf und sagte dann:
»Dieser Umstand verwirrt mich etwas, während notfalls...«
Er unterbrach sich, unbewegt und nachdenklich, eine Hand gegen die Stirn gepreÃt.
»Trotzdem kann es noch zusammenpassen«, murmelte er, wobei er offensichtlich alle Stücke seines Systems wie bei einem Puzzle aneinanderreihte, »in diesem Fall wäre die auf der Uhr angegebene Stunde die richtige.«
Monsieur Lecoq dachte nicht daran, den alten Friedensrichter zu befragen. Zum einen wuÃte er genau, daà der nicht antworten würde, andererseits war seine Eitelkeit geweckt. Was, er sollte nicht hinter eine Sache kommen, die ein anderer vor ihm bereits entdeckt hatte?
»Auch ich«, sagte er laut und vernehmlich, »bin durch diese Axt etwas verwirrt. Ich vermutete, daà die Räuber ganz nach Belieben vorgehen konnten, aber nein, sie wurden überrascht, man hat sie gestört, sie müssen Angst gehabt haben.«
Vater Plantat war ganz Ohr.
»Wir müssen«, führte Monsieur Lecoq weiter aus, »die Indizien in zwei Kategorien einteilen. Da sind zunächst die hinterlassenen Spuren, um uns in die Irre zu führen, das nicht gemachte Bett zum Beispiel; dann die unfreiwilligen Indizien, diese Axt hier. Aber dabei zögere ich schon. Die Stellung der Axt â ist sie richtig oder falsch, gut oder schlecht. Ich glaubte mir über den Charakter der Mörder im klaren zu sein, während jetzt...«
Er unterbrach sich. Die Falten auf seiner Stirn, der zusammengekniffene Mund verrieten seine Gedankenanspannung.
»Während jetzt?« fragte Vater Plantat.
Monsieur Lecoq schaute ihn an wie ein Mensch, den man gerade geweckt hat.
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er, »ich vergaà mich. Das ist eine Unart. Immer wenn ich überlege, denke ich laut. Deshalb arbeite ich auch am liebsten allein. Meine UngewiÃheit, mein Zögern, mein Schwanken läÃt mich meinen Nimbus als Spürhund, als untrüglichen Polizeibeamten einbüÃen, für den es kein Geheimnis gibt.«
Der alte Friedensrichter lächelte nachsichtig.
»Gewöhnlich mache ich erst den Mund auf«, fuhr der Mann von der Präfektur fort, »wenn meine Aufgabe beendet ist, und dann orakele ich nicht, sondern sage: es ist so oder so. Aber
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