Das Verbrechen von Orcival
geistreich bis zum ÃuÃersten, nervös und immerzu in Bewegung.
»Ach was«, schloà Jenny, ruhiger geworden, »ich kann nur noch über ihn lachen« â wobei sie offensichtlich vergaÃ, daà sie eben noch das Gegenteil behauptet hatte â »soll er sich doch eine andere Geliebte nehmen!«
Wieder fragte sich Sauvresy, weshalb er eigentlich hergekommen war. Doch er war ein Geduldsmensch.
»Ich sehe, mein Kind, daà Sie mir nicht zugehört und mich nicht verstanden haben. Ich sagte, Hector wird heiraten.«
»Der!« erwiderte Jenny und machte eine schnippische Geste. »Der und heiraten!«
»Doch, ich versichere es Ihnen«, entgegnete Sauvresy. »Nein!« rief Jenny aus. »Unmöglich. Er hat eine Mätresse, ich weià es, ich bin mir da ganz sicher, ich habe Beweise.«
»Hören Sie, mein liebes Kind, wenn ich Ihnen mein Wort darauf gebe, werden Sie mir dann glauben?«
Sie zögerte einen Augenblick, dann sagte sie: »Ja, Ihnen glaube ich, Sie sind ein Ehrenmann.«
»Also gut. Ich schwöre Ihnen, daà Trémorel hofft, ein junges Mädchen zu heiraten, das so reich ist, daà ihre Mitgift seine Zukunft sichert.«
»So hat er zu Ihnen gesagt, was? Er will es Sie glauben machen.«
»Zu welchem Zweck? Ich versichere Ihnen, daà er, seit er auf Valfeuillu lebt, keine andere Mätresse hatte als Sie. Er lebt in meinem Hause wie mein Bruder, zwischen meiner Frau und mir, und ich könnte Ihnen genau aufzählen, was er zu jeder Stunde des Tages macht, als ob ich selbst diese Stunden erleben würde.«
»Aber dieser Brief...«
Jenny wollte weiterreden, aber eine dieser blitzartigen Ãberlegungen, die plötzlich unsere Gedanken in eine andere Richtung als die vorgegebene lenken, lieà sie erschreckt innehalten. Sie wurde über und über rot und starrte Sauvresy mit einem unbeschreiblichen Ausdruck des Entsetzens an.
»Was ist mit diesem Brief?« fragte Sauvresy.
Man schläft. Der Donner grollt. Ein Gewitter. Man schläft, ohne daà der Schlaf dadurch beeinträchtigt würde; doch plötzlich, in einem gewissen Moment, reiÃt uns ein Windhauch aus unserem Seelenfrieden... Für Sauvresy war Jennys Erschrecken und die Erwähnung des Briefes dieser Windhauch. Der grelle Blitz des Zweifels war in seine Seele gefahren und bedrohte mit einemmal seine Sicherheit, sein Glück, seine Ausgeglichenheit, sein Leben.
Mit blitzenden Augen und zitternden Lippen erhob er sich. »Geben Sie mir diesen Brief!« herrschte er Jenny an. Jenny war so erschrocken, daà sie drei Schritte zurückwich. Sie versuchte eher schlecht als recht, ihre Bestürzung zu verbergen, und bemühte sich, die Angelegenheit ins Heitere zu ziehen.
»Nicht heute«, antwortete sie, »ein andermal, heute sind Sie gar zu neugierig.«
Doch Sauvresy war wütend. Mit wutverzerrtem hochrotem Gesicht brüllte er: »Diesen Brief! Ich will diesen Brief!«
Noch nie hatte das arme Mädchen jemanden so zornig erlebt. Die Wut dieses Mannes erschreckte sie, sie begriff, daà er auÃer sich sein muÃte, daà sie ihm schutzlos ausgeliefert war. Er packte sie an den Handgelenken.
»Sie tun mir weh«, murmelte sie und versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten. »Ich habe Ihnen doch nichts getan.« Er drückte ihre Handgelenke fester. Sie spürte seinen heiÃen Atem im Gesicht, als er sagte:
»Zum letztenmal: gib mir diesen Brief, oder ich zwinge dich mit Gewalt dazu.«
Länger Widerstand zu leisten wäre dumm gewesen. Zum Glück war ihr nicht der Gedanke gekommen zu schreien. »Lassen Sie mich los«, erwiderte sie, »ich werde ihn holen.«
Er lieà sie los, während sie zu ihrer Reisetasche ging und darin wühlte. Sie war bleich geworden, ihre Zähne klapperten, aber in ihrem Blick lag etwas Entschlossenes. Während sie so tat, als würde sie den Brief suchen, murmelte sie: »Warten Sie..., ah da... Nein. Seltsam, ich muà ihn doch haben, warten Sie, er muà doch zu finden sein...« Und mit einer plötzlichen Bewegung steckte sie den Brief, den sie zu einer Kugel zusammengerollt hatte, in den Mund fand versuchte ihn hinunterzuschlucken.
Dazu kam es jedoch nicht. Sauvresy war zu ihr gesprungen und drückte ihr brutal den Hals zu. Sie röchelte, stieà einen unterdrückten Schrei aus und spuckte aus, was sie im Mund hatte.
Endlich hatte
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