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Das Verbrechen von Orcival

Das Verbrechen von Orcival

Titel: Das Verbrechen von Orcival Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Gaboriau
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stammelte er nach einiger Zeit, »er hat doch nie etwas erfahren.«
    Â»Sie irren. Sauvresy weiß alles von uns.«
    Â»Das ist unmöglich.«
    Â»Alles, sage ich Ihnen, und zwar seit dem Tag, als er später als sonst von der Jagd nach Hause kam. Sie erinnern sich, als ich seinen Blick bemerkte, habe ich zu Ihnen gesagt: ›Hector, mein Mann ahnt etwas!( Sie haben mit den Schultern gezuckt. Sie erinnern sich der Spuren im Vestibül an dem Tag, da ich Sie in Ihrem Zimmer aufgesucht habe? Er hat uns aufgelauert. Und wollen Sie noch einen stärkeren Beweis? Lesen Sie diesen Brief, den ich zerknittert und durchnäßt in seiner Jagdjoppe gefunden habe.«
    Während sie das sagte, hielt sie ihm den Brief unter die Nase, den Sauvresy Jenny weggenommen hatte, und Hector erkannte ihn nur zu gut wieder.
    Â»Das ist ja unangenehm«, sagte er sichtlich betroffen. »Aber – wir können uns doch trennen, Berthe, ich werde einfach weggehen und nicht wiederkommen.«
    Â»Zu spät. Glauben Sie mir, Hector, jetzt verteidigen wir unser Leben. Ha, Sie kennen Clément nicht! Kennen Sie den Zorn eines Menschen, wenn er entdeckt, daß man schnöde mit seinem Vertrauen gespielt, daß man ihn würdelos betrogen hat? Wenn er mir noch nichts gesagt hat, wenn er so tut, als wäre nichts gewesen, so nur, weil er auf Rache sinnt.« Alles, was Berthe da sagte, klang wahrscheinlich, und das begriff Hector sehr wohl. Und er hatte Angst vor Berthe – Angst wie vor einem Reptil, einem Ungeheuer. Er hätte notfalls noch einen plötzlichen, gewalttätigen Totschlag im Affekt verstanden. Einen Revolverschuß oder Messerstich hätte er sich erklären können. Aber dieser langsame Mord, wo der Lebenssaft Tropfen für Tropfen aus dem Körper rinnt, mit Zärtlichkeiten versüßt, mit Küssen verschleiert wird – das schien ihm außerordentlich abscheulich.
    Â»Man wird die Todesursache feststellen«, gab er nach einiger Zeit zu bedenken. »Es wird Nachforschungen geben...«
    Sie lächelte überlegen.
    Â»Soll man doch nachforschen«, entgegnete sie. »Man wird nichts finden. Glauben Sie, ich sei im Umgang mit Arsenik unerfahren?«
    Â»Erbarmen! Schweigen Sie...!«
    Â»Ich habe mich eines noch unbekannten Giftes bedient, das sich jeder Analyse entzieht; von dem die Ärzte – und ich meine die richtigen Ärzte, die Gelehrten – bis heute noch nicht sagen können, welche Symptome es hervorruft«
    Â»Aber woher haben Sie...«
    Er stockte mit dem Wort »Gift«. Er wagte es nicht auszusprechen.
    Â»Wer hat Ihnen das denn gegeben?«
    Â»Was hat das für eine Bedeutung! Ich habe meine Vorsichtsmaßnahmen getroffen, und der, der es mir beschafft hat, geht genauso ein Risiko ein wie ich, und er weiß das. Von dieser Seite ist also nichts zu befürchten. Ich habe ihn teuer genug bezahlt, als daß er es jemals bedauern wird.«
    Ein abscheulicher Einwand lag ihm auf der Zunge. Er hatte Lust zu sagen: »Es ist wohl schleichend!« Er hatte nicht den Mut dazu, aber sie las die Worte in seinen Augen.
    Â»Es ist ein schleichendes Gift, weil mir das zupaß kommt«, sagte sie. »Vor allem muß ich wissen, woran ich mit dem Testament bin.«
    Auch in den nächsten Tagen beschäftigte sie nichts anderes, und so lenkte sie während der Stunden, die sie neben Sauvresy verbrachte, diesen allmählich und unter behutsamen Vorsichtsmaßnahmen, damit letzterer keinen Verdacht schöpfte, auf seine letzten Verfügungen. Das gelang ihr so gut, daß er schließlich von selbst darauf zu sprechen kam. Er könne nicht begreifen, sagte er eines Tages zu ihr, daß man seine geschäftlichen Dinge – und hierunter zählte er zweifellos auch die Erbschaft – vernachlässige. Gleich, ob man gesund oder krank sei, seinen Letzten Willen müsse man immer abrufbereit haben.
    Schon bei diesen ersten Andeutungen versuchte ihn Berthe zu unterbrechen. Was ihm denn da für Gedanken durch den Kopf gingen, klagte sie, das verursache ihr nur Qualen. Dabei weinte sie sehr echte Tränen, die wie Diamanten glitzerten, wenn sie ihr die Wangen herabliefen und sie schöner und unwiderstehlicher machten. Echte Tränen, die ihr Taschentuch aus feinstem Batist benetzten.
    Â»Du mußt doch eine Kopie meines Testamentes haben«, sagte er zu ihr.
    Sie wurde rot, dann blaß. Weshalb verlangte er diese

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