Das verdrehte Leben der Amélie
Weihnachtsdekoration sieht ohne Schnee so komisch aus. Übrigens kommt die Weihnachtsdekoration jedes Jahr früher. Als hätten die Weihnachtsorganisatoren Angst, dass man zu feiern vergisst oder so.
Oder vielleicht ist der Weihnachtsmann durch die ganzen Kekse, die er überall bekommt, so dick geworden, dass er seine Tour schon früher beginnen muss, weil er nicht mehr so einfach durch den Kamin kommt.
O.k., was ich gerade gesagt habe, ist totaler Schwachsinn! Klar weiß ich, dass es keinen Weihnachtsmann gibt. Das weiß ich, seit ich sieben bin. Als ich herausfand, dass mein Vater sich als Weihnachtsmann verkleidete, fand ich es echt merkwürdig, dass mir meine Eltern so was vorgemacht hatten! Aber mal ehrlich! Was bitte bringt es, den Kindern vorzugaukeln, es gäbe einen dicken roten Mann, der am anderen Ende der Welt wohnt und den Kindern Geschenke bringt? Das habe ich nie begriffen.
An diesem Tag habe ich nicht nur aufgehört, an den Weihnachtsmann zu glauben, ich habe auch ein bisschen den Respekt vor meinen Eltern verloren. Und auch ein bisschen Vertrauen. Danach begegnete ich allem, was sie mir erzählten, mit Misstrauen. Ich habe mir gedacht,wenn sie mich schon wegen so einer lächerlichen Sache wie dem Weihnachtsmann belügen, welche wichtigeren Dinge verheimlichten sie mir dann erst?
8:55
Riesendiskussion über unsere Schuluniform. Übrigens kommt das Thema jedes Jahr zum Winteranfang auf. Ich sage »jedes Jahr«, dabei ist es eigentlich erst das zweite Jahr. Meine Behauptung stützt sich also nur auf letztes Jahr, als zu Winterbeginn fast alle über die Uniform meckerten. Normalerweise gibt es dann noch eine zweite Protestwelle am Schuljahresende. Im Herbst hingegen ist alles in Ordnung. Aber im Winter mit einem Rock durch die Gegend zu rennen, ist schon verdammt kalt an den Beinen. Und im Sommer schwitzt man wie blöd unter diesen dicken Schottenröcken.
Dieses Jahr haben die Mädchen aus der Elften eine Petition vorbereitet. Einige haben sie schon unterschrieben und sie haben sie Monsieur Beaulieu vorgelegt, um durchzusetzen, dass die Schuluniform abgeschafft wird. Was mischen sich die Elftklässlerinnen da überhaupt ein, die sind im nächsten Jahr doch sowieso nicht mehr an der Schule!!!
Ihr Hauptargument: Die Schuluniform hindere sie daran, ihre Persönlichkeit auszudrücken. Was für ein bescheuertes Argument! Bart Simpson trägt seit 500 Folgen dasselbe, und ich finde nicht, dass das auch nur das Geringste an seiner Persönlichkeit ändert! Gleiches gilt für den Weihnachtsmann!
10:50
Französischunterricht.
Kat war in Mathe komplett in ihrer eigenen Welt. Seit sie mit Ham zusammen ist, ist sie jeden Tag am Dauergrinsen. Ich wollte ihr eine Nachricht rüberschieben, um sie zu fragen, was Ham heute so Außergewöhnliches getan hat, um sie in diesen Zustand zu versetzen (ich fragte mich echt, ob es möglich ist, die kitschige Aktion mit dem Bären noch zu toppen). Madame Gagnon saß uns aber dermaßen im Nacken, dass ich mich nicht getraut habe. Und während der Pause wurden wir von einer Mädchenhorde aus der Elften belagert, die wollten, dass wir ihre Anti-Uniform-Petition unterschrieben. Mein Bart-Simpson-Beispiel hat sie übrigens nicht überzeugt. Und dann musste ich auch schon zum Französischunterricht.
10:55
Madame Claude: »Ruhe!!! Ihr könnt euch auch noch in der Mittagspause über die Schuluniform unterhalten. Ich nehme an, ihr seid neugierig auf eure Referatsnoten?«
Und Blablabla, bis ich erfahre, dass Nadine die beste Note für ihr Referat über Honigproduktion bekommen hat (was für ein superödes Thema!). Sie hatte sich einen Imkerhut aufgesetzt und ein Spektakel daraus gemacht. Sollen sie es doch gleich sagen, wenn sie kein Referat wollen, sondern eine Theatervorführung!
Meine Note: 3- (Puh! Wenigstens bestanden!)
Thema: 10 von 10 Punkten
Ausschöpfung des Themas: 8 von 10 Punkten
Gliederung: 6 von 10 Punkten
Recherche: 7 von 10 Punkten
Vortrag: 6 von 10 Punkten
17:00
Was für ein Tag!!
Nach dem Französischunterricht wollte Madame Claude mit mir sprechen. Bevor sie mich schnappen konnte, sah ich noch Kat durch die geöffnete Tür. Ich habe Kat signalisiert, dass sie kurz auf mich warten soll, aber sie hatte mich offensichtlich nicht gesehen (vermutlich war sie in Gedanken bei Ham und seinem hässlichen Bären).
Madame Claude hat mir einen langen Vortrag gehalten, dass meine Noten sich im Vergleich zu allen anderen im Begabtenkurs sehr verschlechtert hätten.
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