Das verfluchte Koenigreich
sagte Rathina. »Ich hatte mir gar keine Gedanken gemacht, wie wir zurückkommen sollen. Wildpferde – das ist bei Weitem besser, als zu Fuß durchs Elfenreich zu marschieren.«
Eden sah Tania an. »Und dir gebe ich das hier.« Sie küsste ihre jüngere Schwester auf die Stirn. »Das ist der Kuss der Suchenden – er wird helfen, deine Aufgabe zu erfüllen.«
»Danke«, sagte Tania.
»Und nun«, rief Eden und trat zurück, »nun wünsche ich euch viel Glück. Lebt wohl. Möge es euch gelingen, das Elfenreich zu retten.« Sie hob die Hände und murmelte einige Worte in der unverständlichen Sprache. Als sie die Arme senkte, war sie abermals umringt von Feuer. Es krachte und eine Kugel schoss durch die Bäume davon, einen weißen Flammenschweif hinter sich herziehend, ehe sie am Himmel verschwand.
Connor schnappte nach Luft.
Rathina sah ihn an. »Wow, hm?«, sagte sie lächelnd.
Connor nickte und klappte den Mund wieder zu.
»Okay, dann kommt jetzt«, sagte Tania und marschierte auf den Hügel zu. »An die Arbeit, Leute! Weißt du, wer hier wohnt, Rathina?«
»Weißt du es denn nicht?«, erwiderte Rathina. »Niemand lebt in Caer Regnar Naal. Es ist seit Tausenden von Jahren verlassen.«
»Warum das denn?«, fragte Tania.
»Ich wusste es bis zum heutigen Tag auch nicht«, sagte Rathina. »Doch jetzt verstehe ich, warum dieser Platz gemieden wird. Im Herzen der Zitadelle steht eine Tür aus reinstem Isenmort, Schwester. Niemand im Elfenreich möchte in der Nähe einer solchen Gefahr sein.« Sie lächelte. »Niemand außer der sechsten Tochter von Oberon und Titania.«
»Aber wer hat dieses Portal gemacht?«, fragte Tania. »Und warum?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Rathina.
»Na, warum, ist doch klar, oder?«, sagte Connor. »Die Tür wurde eingebaut, damit niemand an die Archive herankommt.« Er sah Tania mit leuchtenden Augen an. »Dort müssen Geheimnisse verborgen sein, die nie jemand erfahren sollte. Aufregend, was? Vielleicht finden wir sogar die Formel für die Unsterblichkeit?«
»Vielleicht«, sagte Tania zweifelnd. Die Unsterblichkeit des Elfenvolks ließ sich wohl nicht so leicht auf eine Formel reduzieren.
Je näher sie dem Hügel kamen, desto drückender schien die Luft und Tania konnte kaum noch atmen.
»Ich fühle etwas Bedrohliches«, bemerkte Rathina. »Mir scheint, das Gift des Isenmort-Portals durchdringt selbst den Boden unter unseren Füßen.«
»Ich spüre nichts«, verkündete Connor. »Aber es ist sehr still. Keine Vögel. Nichts. Und es ist wahnsinnig heiß geworden.«
»Die Sonne steht im Zenit«, sagte Rathina. »Spürt ihr die Hitze, die von dem Steintor ausgeht. Was hat Eden uns geheißen, Tania?«
»Dreimal klopfen«, sagte Tania.
Von Nahem wirkte die graue Steinplatte noch größer. Sie war tief in den Hang eingelassen, über drei Meter breit und zweimal so hoch.
»Das Ding wiegt mindestens vierzig Tonnen«, sagte Connor und trat gegen eine Ecke. »Aber das ist ein bearbeiteter Stein. Wie man ihn wohl hierhergebracht hat?« Er sah Tania an. »Es gibt doch sicher keine Maschinen im Elfenreich.«
Tania schüttelte den Kopf. Rathina hatte Recht – der Stein strahlte eine ungeheuere Hitze ab, sodass die Luft darüber flimmerte. Sie bückte sich, um einen Stein aufzuheben, und die Hitze schlug ihr ins Gesicht. Sie pochte mit dem Stein dreimal gegen die Platte, dann trat sie zurück.
Nichts geschah.
»Vielleicht musst du noch mal klopfen«, sagte Connor.
»Warte!«, zischte Rathina.
Ganz langsam hob sich die massive Steinplatte an und schließlich schwenkte sie zur Seite wie eine riesige Tür. Eine schwarze Öffnung tat sich vor ihnen auf, aus der kühle Luft drang.
»Jetzt kannst du deine Taschenlampe rausholen«, sagte Tania zu Connor. »Ich glaube, dort unten können wir sie gut gebrauchen.«
Connor ging zum Rand des Schachts und knipste seine Taschenlampe an. Der Lichtstrahl fiel auf eine schwarze Steintreppe, die ins Dunkel führte.
Connor drehte sich zu Tania um. »Ladys first«, sagte er beklommen.
»Danke«, erwiderte Tania und trat über die grasbedeckte Schwelle. »Wie reizend von dir.« Ein eisiger Luftzug wehte ihr entgegen.
Connor ging dicht hinter ihr und richtete die Taschenlampe auf die Stufen, aber der kleine Lichtkegel konnte wenig gegen die undurchdringliche Finsternis ausrichten. Tania hörte Rathina leise pfeifen. Plötzlich erinnerte sich Tania – das hatte Rathina schon als Kind gemacht, wenn sie nicht zeigen wollte, dass sie Angst hatte.
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