Das verfluchte Koenigreich
Fenster. Ein Reitertrupp trabte aus dem Palast, gefolgt vom Fußvolk. Der kleine Tross marschierte die Straße hinunter, die zum Landesteg von Rhyehaven führte. Tania wusste, wer die Männer waren, auch wenn sie von hier oben keine Gesichter erkennen konnte. Lord Aldrich führte seine Gefolgsleute aus dem Schloss und die Gestalt, die neben ihm ritt, war Edric. Alle waren schwarz gekleidet.
Hinter den Reitern schritt Hollin einher – selbst aus dieser Entfernung waren seine leuchtend gelben Gewänder gut zu sehen. Den Abschluss bildeten die grün gekleideten Gehilfen des Heilers. Plötzlich drehte Hollin sich um, als ob er Tanias Blick gespürt hätte, und hob den Kopf. Tania glaubte seinen Hass selbst aus großer Ferne zu spüren und wich erschrocken vom Fenster zurück.
Sie lehnte ihre Stirn an den kühlen Stein und wartete, bis ihr Herzschlag sich beruhigt hatte. Als sie wieder hinuntersah, war der Trupp ein gutes Stück weit entfernt, und Hollin drehte sich nicht mehr zum Schloss um.
Lord Aldrich machte seine Drohung wahr: Er verließ den Palast und kehrte auf seiner Galeone ins Herzogtum Weir zurück. Und Edric ging mit ihm.
»Leb wohl, mein Liebster«, flüsterte Tania und das Fenster beschlug von ihrem Atem. Sie wandte den Blick wieder ab, weil sie es nicht ertragen konnte, Edric davonreiten zu sehen – vielleicht war es ein Abschied für immer.
Verzweifelt schloss sie die Augen und legte die Hände auf ihr glühendes Gesicht.
»Tania? Warum weinst du denn? Du kannst doch froh sein, dass dein Dad nicht schuld an der Krankheit war.«
Tania wischte sich die Tränen ab und schaute zu Connor auf. »Das bin ich ja auch«, sagte sie. »Aber du sitzt jetzt wegen mir im Elfenreich fest.«
»Ach, ich bin sehr anpassungsfähig«, sagte Connor. »Ich komme auch ohne Elektrizität klar.« Er lächelte zaghaft. »Im Moment ist das alles noch total unwirklich für mich. Kann schon sein, dass ich ausflippe, wenn ich begriffen habe, dass dies alles kein Traum ist. Wäre das in Ordnung?«
»Ja, klar«, sagte Tania. »Ich hab’s verdient.«
Rathina trat zu ihnen. »Ihr seid überaus willkommen in unserem Reich, Master Connor«, sagte sie. »Und Ihr werdet sehen, dass die Elfenwelt viel zu bieten hat.« Sie sah Tania an und fügte hinzu: »Ich bin sehr froh, dass es nicht dein sterblicher Vater war, der diese Krankheit über uns brachte – obgleich mich Edens Nachricht schwer erschütterte. Denn wenn die Krankheit nicht aus der Welt der Sterblichen kommt, wie ist sie dann ins Elfenreich gelangt? Und wie sollen wir sie besiegen?«
»Jedenfalls nicht mit Antibiotika«, sagte Connor.
Und wenn Eden Recht hat und das ganze Elfenreich befallen ist, wie soll der König jeden Einzelnen schützen können? Und wen wird er auswählen, wenn nur ein paar gerettet werden können?
Die Tür zum Thronsaal ging auf und Eden schlüpfte herein. Sie hielt Connors Taschenlampe in der einen Hand und einen Lederbeutel in der anderen.
Tania stand auf und ging mit Connor und Rathina zum Thron zurück.
Hopie und Sancha erhoben sich ebenfalls, als Eden auf den König zuschritt. Eden reichte Connor die Taschenlampe. »Ich glaube, dieses Werkzeug wird Euch dort, wo Ihr hingeht, gute Dienste leisten«, sagte sie.
»Dann kommen wir wohl an einen ziemlich dunklen Ort«, vermutete Connor.
»Ja, Sterblicher, so ist es«, sagte Rathina. »Stockdunkel, nach allem, was ich über Caer Regnar Naal hörte.«
Eden gab Rathina den Lederbeutel. »Darin befinden sich Nahrung und Wasser«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie lange ihr im Caer bleiben müsst – vielleicht werdet ihr diese Vorräte brauchen.«
»Sehr vorausschauend«, lobte Rathina und warf sich den Beutel über die Schulter.
»Nun ist alles bereit«, sagte Eden. »Die Zauber sind gesprochen – wir müssen aufbrechen.« Sie verneigte sich vor dem König und der Königin. »Mit Eurer Erlaubnis werde ich bei Rathina und den anderen in Regnar Naal bleiben und darüber wachen, dass sie an diesem abgelegenen Ort nicht zu Schaden kommen.«
»Nein, Eden, wir haben andere Pläne mit dir«, erwiderte Titania.
Tania starrte ihre Elfenmutter verwundert an.
»Der König wünscht, dass du seinem Volk zu Hilfe eilst«, erklärte Titania. »Wenn du Tania, Rathina und den Sterblichen zum Steinturm gebracht hast, musst du sogleich wieder aufbrechen. Es ist unser Wille, dass du durch das Reich reist und alle Kranken, die du findest, in den Güldenschlaf versenkst.«
»Mutter, dafür reichen meine
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