Das Verhaengnis Thriller
je selbst zu erledigen.
Ein Denker, kein Macher.
Wills Finger legten sich um den Knauf der Waffe, und er streckte den Zeigefinger zum Abzug. Kein Wunder, dass Kristin ihn abgewiesen hatte. Kein Wunder, dass Suzy seinen Bruder bevorzugt hatte. Kein Wunder, dass Amy sich anderweitig umgesehen hatte. »Du bist sensibel«, hatte seine Mutter ihm einmal erklärt. »Das ist gut. Frauen mögen das.«
Will lachte. Vielleicht mögen die Frauen einen sensiblen Mann, dachte er, aber sie schliefen mit seinem Bruder.
Und nun plante sein Bruder, Suzys Mann umzubringen.
Konnte er das geschehen lassen? Durfte er sich in irgendeiner Weise darin verwickeln lassen?
Will wusste, dass Jeff ein dekorierter und erstklassig ausgebildeter Soldat war, der nicht zu zimperlich sein würde, wenn es darum ging, eine Waffe abzufeuern. Wer wusste, wie viele Menschen er in Afghanistan getötet hatte? Und Dave Bigelow war ein Schwein, das es vermutlich verdient hatte zu sterben. Ohne ihn wären alle wahrscheinlich besser dran.
Und trotzdem war er ein Mensch. Ein geachteter Arzt, dessen Fähigkeiten zweifelsohne viele Leben gerettet hatten. Wer war Jeff, dass er es sich anmaßte zu entscheiden, ob Dave Bigelow sein Lebensrecht verwirkt hatte? Stand ihm diese Entscheidung wirklich zu? Jeff mochte wütend sein, fehlgeleitet oder vielleicht sogar verliebt. Aber war er ein Mörder? War er wirklich in der Lage, einen anderen Menschen kaltblütig umzubringen?
Noch dazu für eine Frau, die er kaum eine Woche kannte.
Vielleicht wollte Jeff die Waffe nur zu seinem Schutz, versuchte Will sich einzureden. Dave war schließlich ein verdammt einschüchternder Typ. Er hatte ihnen gedroht. Er hatte sich sogar an Kristin herangemacht. Wer konnte schon sagen, wozu er fähig war, vor allem wenn Suzy ihn verlassen sollte. Vielleicht setzte er Jeff oder ihnen allen mit einer eigenen Waffe nach. Vielleicht war Jeff einfach nur vorsichtig.
Aber wem wollte er etwas vormachen? Jeff war in seinem Leben keinen einzigen Tag lang vorsichtig gewesen.
Und jetzt plante er, Dave umzubringen, damit er mit Suzy zusammen sein konnte.
Wie war es dazu gekommen?
Was wussten sie überhaupt über Suzy? Dass sie aus Fort Myers stammte? Dass sie in Coral Gables wohnte? Dass sie gern Granatapfel-Martinis trank?
War es möglich, dass sie das Ganze geplant, einen Bruder und einen Freund gegen den anderen ausgespielt und sie alle miteinander benutzt hatte, um zu bekommen, was sie wollte – nämlich ihren gewalttätigen Mann ein für alle Mal loszuwerden? Und würde sie sich, wenn die Mission erfüllt und Dave Bigelow tot war, wie von Zauberhand in Luft auflösen und sie alle zurücklassen, um die allzu realen Folgen zu tragen? Würde es sie bekümmern, wenn man Jeff fassen und für den Rest seines Lebens ins Gefängnis sperren würde? Empfand sie überhaupt etwas für ihn?
Will entschied, dass er nicht zulassen durfte, dass sein Bruder dieses Risiko einging. Ja, er würde zu dem Motel fahren, aber nur um Jeff zur Vernunft zu bringen. Er würde die Waffe hierlassen. Sicher würde Jeff zunächst wütend sein, doch früher oder später würde er sich beruhigen und ihm irgendwann sogar dankbar sein.
Will spürte die Schweißtropfen auf seiner Stirn, als er ins Bad ging, die Pistole auf den Waschbeckenrand legte und sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Im selben Moment wurde ihm bewusst, dass er nicht mehr allein in der Wohnung war. Irgendjemand war gekommen. »Hallo?«, rief er und ver steckte die Pistole hinter einem Stapel pfirsichfarbener Handtücher unter dem Waschbecken, bevor er ins Wohnzimmer ging.
Tom stand vor dem Sofa, das fleckige Hemd über der zerrissenen dünnen Jeans, das Haar ungekämmt und fettig, die Arme verschränkt und mit einem dämlichen Grinsen im Gesicht. Er stank nach Bier und Zigaretten.
Will spürte, wie sein Herz schneller schlug. »Hat deine Mutter dir nicht beigebracht zu klopfen?«
»Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, die Tür zuzumachen?«, gab Tom zurück.
»Jeff ist nicht da.«
»Das weiß ich, du Schwachkopf. Was glaubst du, wer mich gebeten hat, hier vorbeizukommen?«
»Jeff hat dich gebeten, vorbeizukommen?« Warum um alles in der Welt sollte er das tun? Hatte Jeff ihm nicht zugetraut, die Waffe zu liefern? Kannte der Bruder, den er selbst kaum kannte, ihn am Ende besser als er sich selbst?
»Er hat dich wohl angerufen, als er mich nicht erreichen konnte«, sagte Tom, ohne die betrunkene Selbstgefälligkeit in seiner Stimme auch
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