Das Verhaengnis Thriller
erfahren, dass das Ganze bloß eine Inszenierung war und er mit den anderen Typen um hundert Dollar gewettet hatte, dass er mich flachlegen würde. Aber da war es mir längst egal. Wir wohnten schon zusammen. Ich hab aufgehört zu strippen und einen Kurs für Barkeeper belegt, das Wild Zone hat aufgemacht, und ich habe einen Job gekriegt. Und das ist die ganze Geschichte. Mit Jeff ist es locker. Es gibt kein Drama, kein Theater, kein Chaos, keine übertriebenen Erwartungen. Er lässt mich mein Ding machen, und ich lasse ihn seins machen.«
»Und dazu gehören andere Frauen«, stellte Will fest.
»Wenn es das ist, was er will …«
»Was ist damit, was du willst?«
»Manchmal lädt er mich ein mitzumachen.«
»Das meinte ich nicht, und das weißt du auch.«
»Was willst du mich eigentlich fragen?«
Will zögerte. »Gelten für beide dieselben Regeln? Hast du je …«
»Je was?«, provozierte sie ihn mit einem trägen angedeuteten Lächeln.
»Nun, was dem einen recht ist, ist dem anderen billig, wie man so sagt.«
»Tatsächlich? Sagt man das in Princeton?«
»Ich glaube, es war Nietzsche, der es als Erster gesagt hat.«
Kristin lachte, ein süßes, überraschend zartes Lachen, das Will ungemein anziehend fand.
Er räusperte sich, bemüht, einen klaren Kopf zu wahren. »Wie ist Sex mit einer anderen Frau?«
»Ganz nett.«
»Bloß ganz nett?«
»Anders«, sagte Kristin und erinnerte sich daran, wie sie zum ersten Mal mit einer Frau zusammen gewesen war. Mit einem Mädchen eigentlich. Sie waren beide noch so jung gewesen.
Kurz zuvor hatte ihre Mutter sie aus dem Haus geworfen. Kristin war nicht mehr zur Schule gegangen, wenige Wochen später als Schulschwänzerin aufgegriffen, unter Amtsvormundschaft gestellt und in ein Heim gesteckt worden. Fast drei Jahre blieb sie dort.Und in dieser schäbigen, gleichgültigen Umgebung, mit acht Mädchen auf einem Zimmer, hatte Kristin jemanden kennengelernt, der auf seine Weise genauso vom Leben beschädigt war wie sie selbst. Monatelang hatten sie sich misstrauisch umkreist, kaum miteinander gesprochen und sich sorgfältig gemustert. Schließlich hatte Kristin das Schweigen gebrochen: »Ich kann mein Portemonnaie nicht finden. Hast du irgendwas damit zu tun?«
Trotz oder vielleicht gerade wegen dieses provokativen Anfangs wurden die beiden Mädchen bald unzertrennlich, aus ihrer Freundschaft wurde nur ganz langsam und für sie beide unerwartet mehr. Es geschah ganz natürlich, mühelos. Eines Nachts war das Mädchen einfach von der oberen Pritsche ihres Doppelstockbetts in Kristins schmales Bett unter ihr geschlüpft. Kristin war zur Seite gerückt, um ihr Platz zu machen, hatte die junge Frau im Dunkeln gehalten und gestaunt, wie weich ihre Haut und wie zart ihre Berührungen waren. In den nächsten eineinhalb Jahren verbrachten sie jede freie Minute zusammen. Es war die Liebe ihres Lebens, das hatte Kristin schon damals begriffen.
Und dann war sie eines Tages plötzlich ohne jede Vorwarnung verschwunden. Die halboffizielle Erklärung lautete, dass ihre Familie sie wieder nach Hause geholt hatte. Später erfuhr sie, dass die Familie nach Wyoming gezogen war und ihre Freundin nicht zurückkommen würde.
Und das tat sie auch nicht. Sie kam weder zu Besuch, noch schrieb sie oder rief an.
Zwei Monate später, an ihrem achtzehnten Geburstag, hatte Kristin das Heim verlassen und war in den schwülheißen, finsteren Straßen von Miami untergetaucht.
»Glaubst du, Jeff wäre sauer, wenn du mit einem anderen Mann schläfst?«, fragte Will jetzt und riss Kristin abrupt zurück in die Gegenwart.
»Nur wenn er nicht dabei zusehen dürfte.« Diesmal klang Kristins Lachen rauer, gezwungener. »Mein Gott, Will, du solltest dein Gesicht sehen.« Sie hörte unvermittelt auf zu lachen, und ihre Miene wurde düster und ernst. »War das gerade ein Angebot?«
»Was? Nein. Ich meinte bloß …«
»Entspann dich. Ich weiß, was du gemeint hast.« Sie beugte sich vor, sodass ihre Knie sich berührten. »Es gibt keine anderen Männer, Will.«
»Liebst du ihn?«
»Liebe ich ihn?«, wiederholte Kristin. »Schwierige Frage.«
»Ich hätte gedacht, sie wäre ziemlich einfach.«
»Nichts ist einfach.«
»Entweder du liebst ihn oder nicht.«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich glaube schon. Auf meine eigene Art.«
»Und die wäre?«
»Die einzige Art, die ich kenne.« Sie stand auf. »Aber das war jetzt genug Gewissensprüfung für heute.«
»Tut mir leid«,
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