Das Verhaengnis Thriller
auszuschlagen. Normalerweile ließ er keine Gelegenheit zum Sex aus, egal unter welchen Umständen und egal, ob er damit seinen Job aufs Spiel setzte. Hatte er seinen letzten nicht deshalb verloren, weil er ein bisschen zu vertraulich mit einer Kundin geworden war?
Damit blieb nur noch eine mögliche Erklärung für seine Täuschung: Er war mit jemand anderem zusammen gewesen.
Mit einer Frau.
Und nicht bloß mit irgendeiner Frau, die er im Fitnessstudio oder einer Bar aufgegabelt hatte; mit einer Frau, die man benutzen und wegwerfen konnte wie ein altes Taschentuch. Nicht bloß eine weitere Kerbe im Colt, eine weitere Eroberung, mit der er vor den Jungs prahlen konnte. Diese war anders. Diese benutzte teures Parfüm und war es wert, ihretwegen zu lügen. Das bedeutete, die Geschichte ging über reinen Sex hinaus, Jeff empfand wirklich etwas für diese Frau, und das war der Grund, warum er ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte.
Der Grund hieß Suzy Bigelow.
Kapitel 22
Jeff beschloss, die gut ein Dutzend Blocks bis zur Arbeit zu laufen. Es war ein wunderschöner Tag, sonnig und heiß, aber nicht mehr so schwül wie in den letzten Wochen. Außerdem fühlte er sich großartig. Nicht dass er Kristin gerne angelogen hatte. Das nicht. Aber er war erleichtert, dass sie ihm die Geschichte mit Tom fraglos abgekauft hatte, und er redete sich ein, dass es keinen Grund gab, ihr die Wahrheit zu sagen, jedenfalls noch nicht, nicht bis er wusste, wo er mit Suzy stand.
»Suzy«, sagte er laut und genoss das Gefühl ihres Namens auf seinen Lippen. Wann hatte er je so für eine Frau empfunden?
Hatte er so etwas überhaupt schon einmal erlebt?
Zunächst hatte er angenommen, dass seine Leidenschaft vor allem durch ihre Zurückweisung geschürt worden war, durch ihre gespielte Gleichgültigkeit gegenüber seinem lockeren Charme und die Tatsache, dass sie seinen Bruder vorgezogen hatte. Dass sie zudem verheiratet war, hatte sie noch reizvoller gemacht. Aber zum einfach Abschleppen hatte sie sich als zu kompliziert erwiesen. Und nun hatte sie sich – gleichermaßen tough wie verletzlich – um seinen Verstand gewickelt wie eine elastische Binde. Noch heute Morgen hatte er geglaubt, nachdem er sie flachgelegt hatte könne er sie sich endlich aus dem Kopf schlagen, doch nun war das Gegenteil eingetreten. Sie beherrschte seine Gedanken noch mehr als zuvor, wie Hieroglyphen, die in die Innenwand seines Schädels geritzt worden waren. Er konnte keinen Atemzug tun, ohne das sanfte Beben ihrer Brust an seiner zu spüren.
Er wusste, dass er sich lächerlich machte. Er kannte sie noch nicht einmal eine Woche, Herrgott noch mal. Fünf Tage! Wie hatte es eine Frau, die er kaum kannte, geschafft, ihn dermaßen komplett zu besetzen? Ja, sie waren gut zusammen im Bett, besser als gut, verbesserte er sich schnell. Vielleicht sogar toll. Aber wie hieß es noch so schön? Selbst wenn der Sex schlecht war, war es gut?
Bloß dass es eben nicht nur Sex gewesen war, wie Jeff jetzt erkannte. Er hatte sie nicht genagelt, gebumst oder gefickt. Während es beim Geschlechtsakt normalerweise nur um ihn ging – sein Begehren, seine Lust, seine Befriedigung –, war alles, was er mit Suzy gemacht hatte, für ihr Begehren, ihre Lust, ihre Befriedigung gewesen. Von dem Moment an, in dem sie das Hotelzimmer betreten hatten, war alles, was er getan hatte, für sie und nicht mit ihr gewesen. Sie hatten sich wirklich geliebt, erkannte er und blieb wie angewurzelt stehen, weil er zum ersten Mal die Bedeutung dieses Ausdrucks zu begreifen begann.
Und was genau bedeutete es, fragte er sich, während er sich zwang, einen Fuß vor den anderen zu setzen und weiterzugehen. Bedeutete es, dass er dabei war, sich zu verlieben? »Sei nicht albern«, ermahnte er sich und blieb wieder stehen, als er sein Spiegelbild in dem großen Schaufenster eines Reisebüros erblickte. Er starrte den Fremden im Spiegel an, als wollte er ihn fragen: Wer bist du? Und was hast du mit Jeff gemacht?
Wie kann ein Mann, der selbst nie geliebt wurde, überhaupt begreifen, was es bedeutet, einen anderen Menschen zu lieben, fragte sein Spiegelbild zurück.
Ich weiß nicht, gab Jeff stumm zu. Aber wenn es Liebe war, wenn man vierundzwanzig Stunden am Tag an jemanden dachte, dann liebte er sie wie verrückt.
»Scheiße«, sagte er laut. Was war bloß mit ihm los?
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte die Frau hinter der Schaufensterscheibe stumm. Sie trat in sein Spiegelbild und
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