Das verhängnisvolle Experiment
internationalen Presse ausbreitete, da lagen die Reaktionen zwischen Entsetzen und Ablehnung. Aber das ist längst vorbei. Heute leite ich eine Arbeitsgruppe, die sich über die Bereitstellung von Mitteln nicht beklagen kann. Man muß es nur verstehen, seine Forderungen in die richtige Form zu bringen. Und das kann man lernen, glauben Sie mir, meine Liebe.« Er kommt um den Tisch herum und setzt sich auf die Armlehne ihres Sessels. »Das alles ist nur eine Frage der Argumentation, Kindchen«, sagt er und legt ihr den Arm um die Schultern. »Alles!«
Und sie steht nicht auf und verwahrt sich gegen das »Kindchen«, sie sitzt und lauscht dem Klang seiner Worte nach, und sie weiß, daß es für ihn keine Hindernisse geben wird. Und daß er über seine größeren Sorgen nicht sprechen wird. Zumindest jetzt noch nicht.
Sie richtete sich im Sessel auf, und plötzlich waren die Erinnerungen wie weggewischt. Sie spürte, daß sich in der Zentrale etwas verändert hatte. Eine geradezu unnatürliche Ruhe hatte sich über alles gebreitet, eine lastende Stille, da waren kein Flüstern mehr, keine halblaut ausgetauschten Daten, kein Schalterknacken, sogar die Atemgeräusche schienen verstummt zu sein. Sie saß im Rücken der anderen, und als sie die Augen hob, erkannte sie die Spannung in deren Haltung. Es sah aus, als wären sie in ihren Sesseln zu Puppen erstarrt.
Über den Kontaktschirm huschten rötliche Baumwipfel, so unheimlich schnell, als liefe dort ein Film in Zeitraffergeschwindigkeit ab. Sie war sich nicht schlüssig, ob das ungewöhnliche Geschehen auf dem Schirm und die gespannte Haltung der anderen Gefahr signalisierten, aber ein Gefühl sagte ihr, daß irgend etwas geschehen würde, gleich, in den nächsten Sekunden.
»Was geht dort vor?« fragte sie, und die Atemlosigkeit der eigenen Stimme verwirrte sie.
Mankov blickte sich nach ihr um. Sein Gesicht mit der feinen rötlichen Narbe oberhalb der Augenbrauen war ruhig wie immer, doch unter der gespannten Haut seiner Wangen zeichneten sich scharf die Muskeln ab. Sie betrachtete dieses Gesicht, die hellen Augen, den schmalen Mund, der stets ein wenig verkniffen wirkte, und die waagerechte Narbe auf der Stirn. Ihr war, als deutete sich jetzt um den Mund ein kaum wahrnehmbarer Zug von Trauer an und eine Spur von Sorge in den Augen, und sie ertappte sich bei dem Wunsch, Mankov ein paar beruhigende Worte zuzuflüstern, ihm zu sagen, daß sie auf seiner Seite stand. Doch da, als hätte sie die Worte wirklich gesprochen, verschwanden die Sorge und die Trauer, und Mankov schloß für eine Sekunde die Augen.
»Es ist nichts, Maara. Nichts, das uns beunruhigen müßte. Sie haben künstliche Strukturen entdeckt, vorhin, aus großer Höhe. Jetzt befinden sie sich im zweiten Anflug. In wenigen Minuten werden wir mehr wissen.«
»Dort!« Das war Vandas Stimme. Aber sie klang verzerrt, klang wie ein unterdrücktes Stöhnen, hervorgestoßen unter übergroßer Belastung.
Maara sah einen Wall auftauchen, für einen Moment hatte sie den Eindruck, auf ein gigantisches Schrottlager zuzufliegen, dann schien sich der Boden zu heben, stieg, den bekannten Gesetzen zum Trotz, empor und kippte blitzschnell nach unten weg, den Horizont mit sich in die Tiefe reißend. Sie hatte beim Training Aufnahmen gesehen, die aus taumelnden, stürzenden und sich überschlagenden Maschinen gedreht worden waren, Bilder, bei denen es unmöglich gewesen war, die augenblickliche Lage der Kamera im Raum zu ermitteln. Dieser Anblick war ähnlich, nur daß alles viel, viel schneller ablief.
Aber noch ehe sie das Entsetzen richtig zu spüren vermochte, stabilisierte sich das Geschehen wieder, der Wald lag jetzt tief unten, und die Geschwindigkeit schien wesentlich geringer geworden zu sein. Doch dann begriff sie, daß sie sich durch die größere Entfernung täuschen ließ. Trotzdem spürte sie Beruhigung, als sie Mankov aufatmen hörte.
Gleich darauf füllte eine Stimme die Kabine, tief, grollend und genau akzentuierend, Yahiros Stimme. »Das war knapp, Peter. Könnt ihr mich hören?«
»Wir hören euch sehr gut. Die Verbindung ist stabil. Wie sieht es bei euch aus?«
»Bisher noch kein abgeschlossenes Ergebnis. Mit Sicherheit weiß ich nur, daß die Fähre getroffen worden ist. Keeke hat sie jetzt wieder einigermaßen in der Gewalt. Wie es aber um die anderen vier steht…?« Yahiro brach ab, und sie hörte, daß sein Atem ungewöhnlich laut ging. Zu laut und zu heftig eigentlich, wenn man in
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