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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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über die Baumwipfel im Tal, in dem riesige Eichen wuchsen, deren laubschwere Äste sich im Wind wiegten. Ein paar Blätter hatten sich bereits verfärbt, und er dachte daran, dass der Herbst bald anbrechen würde.
    Als Dielan mit einem Arm voll trockenem Holz zurückkam, legte Bran die größten Äste zu einem Lagerfeuer zusammen. Sie würden die Wärme über Nacht brauchen, aber der Gedanke, dass sie durch das Feuer Feinde anlocken könnten, behagte ihm gar nicht.
     
    Die Dunkelheit kam langsam aus dem Tal heraufgekrochen. Bran und Dielan legten ihre Pfeilköcher neben sich und die Bögen griffbereit auf die Knie und zogen die Umhänge über die Schultern. Dielan entzündete mit dem Feuerstein und einer Hand voll Zunder ein paar trockene Zweige, die er unter die größeren Äste schob.
    Bran wog den Wasserschlauch und ärgerte sich, dass er nicht sparsamer damit umgegangen war. »Wir hätten heute nicht so viel trinken sollen«, sagte er. »Für einen Tagesmarsch reicht der Rest nicht mehr.«
    »Keiner von uns hat damit gerechnet, dass wir länger als einen Tag unterwegs sein würden.« Dielan knotete die Schnur seines Leinenbeutels auf und zählte die Äpfel, die noch übrig waren. »Ich habe auch nur noch zwei Äpfel. Aber es wird schon reichen. Morgen finden wir bestimmt Wasser.«
    Bran leerte seinen Beutel aus. Er hatte noch drei Äpfel.
    Die Brüder aßen schweigend. Brans Blick wanderte unablässig zu den Felsen und Kiefern außerhalb des Lichtkegels. Irgendetwas an diesem Flecken Erde beunruhigte ihn.
    »Morgen kehren wir um.« Er warf zwei Kerngehäuse ins Feuer und legte den letzten Apfel zurück in den Leinenbeutel. »Ich habe Tir versprochen, bei Tagesanbruch zurück zu sein.«
    Dielan spuckte die Kerne aus. »Das schaffen wir nicht. Aber ich stimme dir zu, Bruder, morgen kehren wir um. Irgendwo da unten muss es einen Bach geben. Ich habe noch nie einen Wald ohne Bäche gesehen.«
    Bran lächelte. Etwas in der Stimme seines Bruders erinnerte ihn an die Zeit in der Felsenburg. Manchmal redete Dielan, als wäre er viele Winter älter, als er tatsächlich war, obwohl er der Jüngere von beiden war.
    »Ich muss dir etwas erzählen.« Dielan streckte die Beine neben dem Feuer aus und schloss den Umhang vor der Brust. »Es gab Momente, da… Wir hatten solchen Durst, und Gwen hatte Angst.«
    »Du hast gezweifelt.« Bran legte die Hände in den Schoß. »Du hast nicht geglaubt, dass es das Land gibt.«
    »Nur ein paar Mal.« Dielan räusperte sich, beugte sich vor und schob einen Zweig ins Feuer. »Aber ich habe mit niemandem darüber geredet.«
    Bran lehnte den Kopf gegen den Stein und sah zum Himmel empor.
    »Ich habe selbst gezweifelt«, sagte er schließlich. »Und nicht ich habe gesagt, dass mir die Träume wirklich von den Göttern eingegeben wurden. Das war Turvi. Er hat mir erklärt, was die Träume bedeuten.«
    »Turvi ist klug.« Dielan schob die Hände zwischen die Oberschenkel. »Noj hat immer auf ihn gehört.«
    »Ja, Noj hat auf ihn gehört.« Bran nickte. »Und ich höre auch auf ihn. So soll es sein.«
    »So ist es.«
    Danach schwiegen sie lange. Sie saßen am Lagerfeuer, während sich die Nacht über sie senkte und Kraggs juwelenbesetzte Schwingen sich über den Himmel breiteten. Als die Nacht am dunkelsten war, schnarchte Dielan lautstark unter seinem Umhang, aber Bran war noch immer wach. Er hielt den Bogen in der Hand und konnte den Blick nicht von den Felsen losreißen. Immer wieder hörte er es zwischen den Zweigen und im Moos rascheln, als würden sie beobachtet. Aber er sah nur die Fichtenzweige, die im Wind wogten.
     
    Bran wachte, bis die Sonne im Osten wieder über den Wald stieg. Dann stand er auf und zog Dielan den Umhang weg. Dielan beschwerte sich und bat Gwen, ihn weiterschlafen zu lassen, aber als Bran seinen Fellumhang zusammenrollte und über die Schulter hängte, setzte Dielan sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen.
    Und als Dielan aufstand und den Pfeilköcher an seinem Gürtel befestigte, ertönte auf dem Bergkamm wieder das Brüllen. Bran sank auf die Knie und legte einen Pfeil an die Bogensehne. Das dämonische Lachen war näher als die Male zuvor. Eine Antwort blieb aus, aber Bran war sicher, dass sich das Wesen unmittelbar über ihnen befand, verborgen hinter dem Kieferndickicht auf dem Bergkamm. Dielan schnappte sich einen schwarz verkohlten Ast und schleuderte ihn den Hang hinauf. Da brüllte das Wesen erneut, diesmal einen Pfeilschuss weiter

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