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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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schnupperten in der feuchten, still stehenden Luft. Sie sprachen nicht aus, dass sie die Orientierung verloren hatten; eine solche Nachricht hätte sie nur entmutigt. Stattdessen trennten sie sich und gingen in unterschiedlichen Richtungen durchs Unterholz. Bran hörte, wie Dielan zwischen Farnkraut und trockenen Ästen hin und her lief, während er selbst die Bäume nach Zeichen über die Himmelsrichtung absuchte. Im Lanzengebirge wuchs die Flechte immer auf der Nordseite der Steine und Baumstämme, die Ameisen hingegen errichteten ihre Haufen grundsätzlich auf der Südseite, wo es am wärmsten war. Aber hier gab es weder Flechten noch Ameisenhaufen, nur Käfer, Spinnweben und Bartflechte, die von den Ästen herunterhing.
    »Glaubst du, dass es hier Menschen gibt?« Dielan trat hinter einem Dornbusch hervor. Er stützte sich auf den Speer. Sein Atem ging schwer.
    »Ich weiß nicht.« Bran lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Eichenstamm und schaute zwischen den dicken Ästen zum Himmel. »Aber ich hoffe nicht. Wenn der Wald verhext ist, sind es die Menschen, die hier leben, wahrscheinlich auch.«
    Ein Heulen wogte durch den Wald und hallte etwas entfernt, irgendwo bei dem Wasserloch, wider. Die Brüder ergriffen ihre Speere und tauchten unter den Ästen und Zweigen hindurch. Sie mussten weiter und aus dem dichten Wald herauskommen, bevor es dunkel wurde. Hier drinnen wären sie ein leichtes Opfer für jedes Wesen, das ihre Witterung aufnahm.
     
    Das Brüllen und Lachen der Dämonen ertönte in immer kürzeren Abständen. Bran und Dielan bewegten sich fast lautlos durchs Unterholz, aber der Durst machte sie unaufmerksam. Bran spürte, wie seine Beine schwächer wurden, und es fiel ihm immer schwerer, nicht auf die trockenen Zweige am Boden zu treten. Dielan ging es nicht anders, und Bran beneidete ihn um seine Lederstrümpfe und ärgerte sich, sich selbst mit den steifen, verräterisch knirschenden Tirganerstiefeln auf den Weg gemacht zu haben.
    Die Brüder blieben jetzt dicht zusammen und hielten nach lichteren Stellen im Unterholz Ausschau. Bran hoffte, bald wieder offeneres Gelände zu erreichen, aber der Boden war flach wie ein Schild, und nichts deutete darauf hin, dass sie sich in der Nähe des Höhenzuges befanden. Gerade als er Dielan vorschlagen wollte, zwischen den Stämmen ein Lager zu errichten, spürte er einen Luftzug. Weniger als einen Steinwurf von ihnen entfernt lichtete sich der Wald.
    Kurz darauf standen sie am Rand eines Geröllfelds, das so breit und lang war wie ein Pfeilschuss. Vor ihnen breitete sich ein Landstrich voller Felsspalten und Abhänge, von Flechten überzogenen Steinhaufen und riesigen Felsbrocken aus. Zwischen den Steinen kämpften Krüppelkiefern mit Dornengestrüpp und Disteln um die wenigen Erdballen.
    »Bei Kragg.« Dielan sank auf den nächsten Stein. »Wir haben uns verlaufen, Bruder.«
    Bran ging zu einem der vielen riesigen Felsbrocken, und während Dielan mit dem Kopf in den Händen dasaß, kletterte er auf den Stein. Er beschattete die Augen vor der Abendsonne und blickte zurück über die Baumkronen. Wenn er sich richtig entsann, waren sie von der Westseite des Höhenzuges gekommen, der sich wie eine lange Zunge von Süden nach Norden streckte. Sie waren zu weit in östliche Richtung gegangen. Bran knetete seinen steifen Nacken und dachte an eine andere Begebenheit, als er sich von der Landschaft hatte täuschen lassen. Damals waren Keer und er im Schneetreiben auf die Kretterburg gestoßen, und der Zusammenstoß mit den Wachen war Keer zum Verhängnis geworden.
    Da erklang wieder das unheimliche Geräusch. Es kam aus dem Wald. Dielan erhob sich und nahm den Bogen von der Schulter. Er sagte nichts, legte einen Pfeil an die Sehne und blinzelte in die Schatten zwischen den Bäumen.
    Ein Ast knackte. Bran hielt den Atem an und lauschte; er hörte Schritte im Laub. Das Wesen belauerte sie im Schutz der Bäume. Er legte sich auf den Bauch und ließ sich von dem Felsblock hinuntergleiten.
    »Ich kann es sehen«, flüsterte Dielan und zeigte mit dem Pfeil auf das dichte Gestrüpp hinter der vorderen Baumreihe. Bran kniff die Augen zusammen und schirmte das grelle Gegenlicht mit der Hand ab. Und da sah auch er es. Direkt hinter dem Busch bewegte sich ein Geweih.
    »Das ist ein Rehbock.« Dielan beugte sich vornüber und schlich auf das Gebüsch zu. »Vielleicht ein Junghirsch. Wir könnten ihn erlegen und das Blut trinken.«
    Bran legte einen Pfeil an die Sehne und spannte

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