Das Verheissene Land
aufgeschlagen hatte, wo es geschützter war. Dielan fasste sich an den schweren Kopf. Ihm war schwindlig wie nach einem Abend mit zu viel starkem Gebräu. Als er das verkrustete Blut in seinem Haar fühlte, erinnerte er sich mit einem Mal wieder an die Dämonen und die Flucht durch die Schlucht, und an den Steinschlag, der über sie hereingebrochen war.
Er wandte sich zu seinem Bruder um, verharrte aber jäh in der Bewegung, als ein stechender Schmerz durch seine Brust fuhr. Es fühlte sich an, als ob seine Rippen an seinen Eingeweiden kratzten. Dielan holte Luft. Beim Ausatmen war ein Pfeifen zu hören. Ganz langsam ging er zu Bran und blickte auf die Ebene hinunter. Er sah den breiten Gürtel aus Felsen und Erdrissen und dahinter den Wald. Dort hatten sie nach Wasser gesucht. Wasser, dachte er, mit einem Blick auf die Trage. An den Speeren hingen vier volle Wasserschläuche. Bran hatte Wasser gefunden. Aber Dielan konnte sich nicht erklären, weshalb sie an diesem Hang waren. Dielan legte die Hand über die Augen. Vielleicht hatte Bran ihn hier herangeschleppt, um ihn vor den Dämonen in Sicherheit zu bringen. Aber er konnte nirgendwo ein Lebenszeichen von ihnen erkennen. Er hörte kein Gebrüll. Es schien nicht einmal Vögel in den Bäumen zu geben. Der Höhenzug ragte wie ein flacher Steinhaufen aus dem Laubdach. Dahinter war noch etwas. Dielan schüttelte den Kopf und rieb sich den eingetrockneten Moorschlamm aus den Augenwinkeln. Ganz weit dort draußen brach sich etwas Weißes an schwarzen Felsen. Das war das Meer.
Er setzte sich vorsichtig auf den Boden und griff nach Brans Arm.
Bran zuckte zusammen und schlug um sich, sprang auf und zog sein Messer.
»Ich bin es, dein Bruder.« Dielan kam auf die Beine. »Ich glaube, ich habe mir eine Rippe gebrochen, aber ich kann gehen.«
Bran fasste sich in den Nacken. »Dielan?«
Dielan packte ihn an der Schulter. »Ich erinnere mich, was gestern geschehen ist. Jetzt müssen wir zurück zu den Schiffen.«
Bran blieb stehen und blinzelte, als Dielan ihn losließ. Er hörte die Stimme seines Bruders und spürte den Wind im Haar. Zum ersten Mal war der Schleier auch noch da, nachdem er eine Nacht geschlafen hatte. Und diesmal war Tir nicht bei ihm. Sie konnte ihm nicht helfen, ihm keinen Beistand leisten, es zu vertuschen.
»Wieso hast du das Lager hier oben aufgeschlagen?«, fragte Dielan. »Da unten ist es viel geschützter.«
Bran steckte das Messer zurück in die Scheide. »Da unten?«
»Ja, in einer der Spalten. Es ist kalt. Und dort unten gibt es Brennholz und Windschatten.«
»Es war dunkel.« Bran sank zu Boden. »Der Herbst kommt.«
Dielan sagte nichts und lief hin und her. Bran lauschte seinen Schritten. Dann hörte er, wie die Trage über den felsigen Untergrund schleifte.
»Lass uns die Waffen losbinden. Ich bin sicher, dass ich den Weg zurück zu Fuß schaffen werde. Halt mal da oben fest, dann können wir sie umdrehen.«
Bran kroch zu der Stelle, wo er die Trage vermutete. Er hörte Dielans pfeifenden Atem, während er suchend über den Boden tastete, aber er bekam nur Steine zu fassen.
Dielan sagte lange nichts. Bran richtete sich auf und wandte sich in die Richtung, aus der er Geräusche vernahm. Die Speerschäfte scharrten über den Boden.
»Was ist mit dir, Bruder?«
Bran schlug die Hände vors Gesicht. Die Wahrheit war zu schmerzlich für ihn.
Dielan wartete. Dann machte er einen Schritt nach vorn. »Ist etwas mit deinen Augen?«
Bran nahm die Hände von den Augen und blinzelte, dann wandte er das Gesicht in die Richtung, aus der die Stimme seines Bruders gekommen war.
»Siehst du meine Hand?« Dielan holte tief Luft.
Bran antwortete nicht, drehte sich aber weg. Und Dielan begriff.
»Ich wusste nicht…« Dielan klemmte Brans Arm unter den seinen. »Ich werde uns nach unten führen, Bran. Sei vorsichtig mit deinem Ellenbogen, ich muss mir bei dem Steinschlag eine Rippe gebrochen haben.«
Bran schob ihn weg. »Ich brauche niemanden, der mich stützt. Mein Augenlicht wird schon wiederkehren. Das tut es immer. Tir sagt, es kommt und geht mit dem Schmerz.«
»Du hast das schon öfter gehabt? Wieso hast du nie etwas gesagt? Turvi hätte dir einen heilenden Kräutertrank zubereiten können.«
»Tir ist eine Galuene.« Bran schob die Hände hinter den Gürtel. »Sie hätte mir Kräuter gegeben, wenn es Kräuter dagegen gäbe.«
Dielan fasste Bran am Oberarm. »Setz dich, Bruder. Es ist nicht gut, wenn du hier herumläufst. Um dich herum
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