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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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wie alle seine Vorgänger gekämpft hatten.
    »Dielan!« Bran wälzte sich auf den Rücken und rief, so laut er konnte. Aber seine Stimme wurde immer schwächer. Das kalte Wasser brannte wie Feuer an seinem Rücken. Er sah sich um. Der Nebel schloss ihn ein und verschluckte alles.
    Bran schwamm weiter. Er bewegte die steifen Arme und zwang seine Beine, nach hinten zu treten. Aber sie gehorchten ihm immer weniger. Ich erfriere zu einem Eisklumpen, dachte er, als sein Magen sich zusammenzog. Er schluckte das Erbrochene, während er von Krämpfen geschüttelt wurde. Und er weinte, weil er sich nicht länger bewegen konnte.
    »Tir…« Er hauchte ihren Namen und rollte auf die Seite. Sollten die Wellen ihn doch mitnehmen. Er würde nicht mehr dagegen ankämpfen. Das Wasser spülte über seine Augen. Er schloss sie und sank.
    Bran fühlte, wie das Meer ihn umschloss. Die Strömung strich an seinem Körper entlang und säuselte ihm mit wundersamen Stimmen etwas ins Ohr. Er spürte keinen Schmerz mehr, keine Kälte. Das Meer, die Strömung, die kalte Tiefe waren ein Teil von ihm. Er öffnete die Augen. Das Tageslicht schickte Lichtpfeile ins Wasser. Er konnte die Oberfläche nicht sehen, aber er wusste, dass sie irgendwo dort oben war. Trotzdem schwamm er nicht auf das Licht zu. Er öffnete den Mund und atmete Wasser ein, während er die Hände vor sich hielt und wie mit Messerklingen die Lichtpfeile zerschnitt.
    Und da sah er sie. Sie stieg aus der Tiefe unter ihm auf. Die Strömung spielte mit ihrem weißen Rock, wie der Wind mit einer Fahne. Ihr langes Haar lag wie Seegras um ihren Kopf und verbarg ihr Gesicht. Als sie vor ihm war, streckte er die Hand nach ihr aus, aber als er ihr Haar berührte, zog die Strömung sie von ihm weg. Sie schwebte wie eine Möwe zwischen den Lichtpfeilen. Er schwamm hinter ihr her. Die Haifischzähne an der Kette um seinen Hals klirrten. Er bewegte sich durch einen Wald aus Licht, er flog über die endlose Tiefe wie ein Falke über ein Nebeltal. Sie lockte ihn hinter sich her. Ihr weißer Rock wogte um sie wie ein Schleier aus Erinnerungen.
    Plötzlich gab die Strömung sie frei. Sie blieb bewegungslos liegen. Er schwamm zu ihr. Ihr Gesicht war noch immer von ihren Haaren bedeckt. Er schob die Hand in ihre langen Locken. Seine Finger berührten ihre kalte Haut. Plötzlich hatte er Angst. Die Strömungen wirbelten wie kräftige Windstöße um ihn herum. Sie zerrten an ihr und wollten sie von ihm fortreißen, aber er hielt sie fest. Sie lag reglos an seiner Schulter. Er strich ihr über den Kopf und den schmalen Rücken. Und dann schob er ihr das Haar aus dem Gesicht.
    In diesem Augenblick glitt sie ihm aus den Armen und sank zurück in die Tiefe, wo die Dunkelheit sie umschloss.
    Er schwamm hinter ihr her in die schwarze Tiefe. Er wollte sie nicht verschwinden lassen. Aber etwas hielt ihn zurück. Etwas zog ihn nach oben, weg von ihr. Er wehrte sich, aber sie war längst verschwunden. Da durchbrach er die Wasseroberfläche. Hände griffen nach seinen Armen. Er hatte keine Kraft mehr. Er war völlig machtlos, als sie ihn auf den Rücken drehten.
    »Er lebt!«
    Bran sah einen behaarten Arm und einen schwarzen Bart. Hagdar hielt ihn unter dem Rücken.
    »Werft das Tau hier rüber!« Der große Mann bekam das Tau ins Gesicht und schnaubte und prustete, ehe er es unter Brans Armen festknotete. Bran schnappte nach Luft, als das Tau sich straffte und der Schmerz ihn ins Leben zurückholte. Hagdar schwamm los. Dann schlug er mit der Faust gegen etwas Hartes.
    »Zieht!« Hagdar griff nach dem Tau, das heruntergeworfen wurde.
    Das Tau schabte an der Haut, als sie Bran aus dem Wasser zogen. Er fühlte die Bordwand am Rücken und hörte bekannte Stimmen über sich. Dann griffen mehrere Hände nach ihm und zogen ihn über die Reling an Deck. Bran sah sich um. Turvi drängelte sich aufgeregt lamentierend zwischen Kaer und Dielan.
    Tir kniete sich neben ihn auf den Boden. Bran blickte in ihre Augen. Sie hielt seine Hand. Das tat ihm gut.
    »Bringt ihn unter Deck!«, rief Turvi den Männern zu, versetzte Kaer einen Schubs und humpelte davon. Bran wurde hochgehoben und zur Luke getragen. Er wollte sagen, dass er selbst gehen könnte, aber die Männer würden sowieso nicht auf ihn hören. Als sie ihn durch die Luke nach unten schoben, standen schon mehrere Männer am Fuß der Leiter, um ihn in Empfang zu nehmen. An der Feuerstelle setzten sie ihn ab. Dielan kam mit steifen Gliedern und unter Schmerzen die

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