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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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gute Mannslänge über ihm bauschte. Turvi hatte mitbekommen, dass die Waldgeister die Schiffe »Boottiere« nannten. Für sie waren es fremdartige und unheimliche Wesen. Als Turvi Loke nach dem Grund ihres Kommens gefragt hatte, hatte der in halb gesungenen Versen geantwortet. Wie auch immer, die Waldgeister hätten sicher nicht einen so weiten Weg auf sich genommen, wenn nicht etwas Großes bevorstände. Turvi machte sich keine Sorgen wegen des Landes, das auf sie wartete, und er machte sich keine Sorgen um seine körperlichen Gebrechen. Die Waldgeister hatten ihm damals in der Schlacht schon einmal das Leben gerettet, sie waren seine guten Geister. Und jetzt waren sie gekommen, um dem Volk beizustehen, das ihnen vor langer Zeit bei der Suche nach der Roten Runden Wurzel geholfen hatte.
    Aber da war noch mehr, dachte Turvi und wandte sich wieder nach Norden. Er erinnerte sich noch daran, wie gern die Waldgeister gelacht hatten, wie sehr sie es liebten, einen Spaß zu machen und Geschichten aus fernen Länden zu erzählen. Jetzt blieben sie meist unter sich, und Loke wechselte nur wenige Worte mit ihm. Fast so, als ob sie etwas wüssten, was sie niemandem aus Kraggs Volk anvertrauen konnten. Weisheit, dachte Turvi, war noch nie eine Stärke des Felsenvolkes gewesen. Darum behielten die Waldgeister ihr Wissen lieber für sich.
    Turvi humpelte zum Mast, weil es schwer war, sich im Bug aufrecht zu halten, der sich bei jeder Welle hob und senkte. An der Reling in der Mitte des Schiffes war es ruhiger. Er verscheuchte Lillevord und Kais Sohn, klemmte die Krücken zwischen zwei Schilde und stützte sich mit den Unterarmen auf der Reling ab. Nangors Schiff segelte einen Pfeilschuss westlich von ihnen unter klarem Himmel dahin. Der Einbeinige verlagerte das Gewicht auf die Ellbogen und entlastete seine Hüfte. Im Norden ballten sich Wolken zusammen und legten sich wie eine graue Decke über das Meer. Er konnte nicht erkennen, wie weit es bis dorthin war, aber er wusste, dass irgendwo in dem Dunst das Ende des Meeres war.
     
    Turvi stand lange an der Reling und spähte mit der Ausdauer des Alters nach Norden. Und als er plötzlich die weißen Umrisse sah, glaubte er im ersten Augenblick, sein Verstand spiele ihm wieder einen Streich. Aber da lichtete sich der Nebel.
    Nangor rief etwas vom anderen Langschiff herüber, worauf Hagdar das Steuerruder umlegte und das Schiff nach Osten lenkte. Und nun entdeckte auch die Mannschaft den weißen Berg einen Pfeilschuss vor dem Bug. Sie trommelten ihre Kinder zusammen und flehten ihre Götter um Hilfe an. Turvi sah den Berg und dachte an Brans Traum und die Berge auf der Karte. Aber dieser Berg erhob sich direkt aus dem Meer und war weiß wie Schnee. Kaer löste einen der Bögen von der Reling und schoss einen Pfeil auf den Berg ab. Die Männer erstarrten, als der Pfeil sich tief in die weiße Bergwand bohrte.
    »Das ist Schnee«, flüsterte Kaer. »Ein Berg aus Eis und Schnee.«
    »Wir müssen umkehren!« Orm sprang zum Steuerruder, aber Hagdar erinnerte sich noch allzu gut an seinen Angriff im Sturmrand und stieß ihn beiseite.
    »Steuer die Küste an!« Orm rappelte sich wieder auf. »Wir fahren geradewegs ins Reich der Wintergötter hinein!«
    Das Felsenvolk kümmerte sich nicht um Orms Jammern und Zetern; ihnen war klar, dass es zum Umkehren längst zu spät war. Und die Küste konnten sie auch nicht ansteuern, weil die See um die Mahlströme und Schären weiß brodelte. Sie konnten jeden Moment in den Nebel hineingetrieben werden, die Segel hingen schlaff herunter.
    »Bewahrt die Ruhe«, sagte Hagdar. »Das gefällt mir gar nicht.«
    Die Langschiffe glitten in eine Flaute hinein, während der Eisberg vor dem Bug immer weiter aus dem Wasser herauszuwachsen und mit jeder Welle höher zu werden schien. Hagdar bewegte das Steuerruder hin und her, aber ihm war schnell klar, dass sie zu wenig Fahrt hatten, um den Berg zu umschiffen. Am Ufer des Eisbergs brachen sich Wellen.
    »Eine Stromscheide!«, brüllte Nangor von Visikals Schiff herüber. »An die Ruder!«
    »An die Ruder!« Hagdar schubste seinen ältesten Sohn zur Luke. »Alle Mann an die Ruder! Wir müssen an dem Berg vorbei!«
    Die Schiffe schoben sich in einen Tanggürtel. Nangor und Hagdar holten das Steuerruder aus dem Wasser und ließen die Schiffe mit der verbleibenden Geschwindigkeit weitertreiben, während Männer, Frauen und Kinder auf den Ruderbänken Platz nahmen. Bald darauf schoben sich die ersten Ruder aus dem

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