Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
Vom Netzwerk:
sicher, dass er sie noch ein paar weitere Monde sicher übers Meer geführt hätte. Er streckte den Rücken und strich mit den Fingern über das grau gewordene Holz des Mastes. Er dachte an Queya und seine Krieger. Die Kinlender hatten ihm einen guten Mast gegeben. Er stammte von einem Schiff der Kelsmänner.
    Der Wind blies immer noch vom Land. Bran ging zum Achtersteven und lehnte sich gegen die Reling. Die steigende Sonne malte eine Lichtgasse zwischen die Eisberge, in westliche Richtung. Wäre das Schiff im Wasser gewesen, hätte er es nach backbord wenden können, damit der Wind in die Segel griff. Dann wäre die Tigam wie von selbst durch die Wellen gesteuert. Denn dort gehörte sie hin.
    Bran blickte über das Meer. Er vermisste es jetzt schon. Er dachte an die Tage, wenn die Sonne aufs Deck brannte und das Segel schlaff am Querbaum flatterte. Er dachte an die langen Zeiten auf den Ruderbänken und die Nächte, in denen er allein unterm Himmelszelt gestanden und das Schiff nach den Sternen gelenkt hatte. Da war er frei gewesen.
    Er blieb lange am Steuerruder stehen und lauschte den Wellen, die auf den Strand rollten. Sie lebten in ihm wie sein eigener Pulsschlag. Das Meer sang für ihn, wie es in jeder einzelnen Nacht für ihn gesungen hatte, seit sie Tirga verlassen hatten. Bran hielt das Steuerruder so fest umklammert, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, denn er spürte die Sonne im Gesicht und wusste, dass er das Schiff jetzt verlassen musste. Sein Volk war zum Aufbruch bereit. Sie warteten auf ihn.
    Er ließ das Steuerruder los, ging zum Mast und drehte sich zum Meer. Er sah die treibenden Eisberge. Den diesigen Horizont im Westen. Das Meer wisperte. Mit fernen Stimmen. Von fernen Erinnerungen.
     
    Bran folgte dem Steig zurück über den Höhenzug. Von dort oben konnte er sehen, dass sich sein Volk bereits östlich des Dorfes am Flussufer versammelt hatte. Die Männer warteten mit schwerem Gepäck über den Schultern und Bögen und Speeren in der Hand. Die Frauen und Kinder trugen aufgerollte Felle. Dielan stand neben einem der beiden Pferde. Auf dem anderen saß Turvi. Die Tiere waren vor Zugschlitten gespannt, auf denen die kleinsten Kinder saßen. Die Waldgeister waren schon einen Pfeilschuss den Berghang hinaufgestiegen und standen dort auf ihre Speere gestützt und warteten.
    Er ging zum Fluss hinunter und überquerte die Brücke. Tir erwartete ihn bereits mit dem Kind auf dem Arm in der Türöffnung. Sie lächelte ihm entgegen, aber er konnte sehen, wie erschöpft sie war. Sie hatte noch immer schwarze Schatten unter den Augen und eingefallene Wangen. Er legte einen Arm um sie und nahm Ulv auf den anderen. So gingen sie zwischen den Langhäusern entlang. Jetzt war kein Hammerschlagen mehr zu hören. Die Einwohner grüßten sie mit einem stummen Nicken und folgten ihnen zum Fuß des Hanges. Der Frost auf den Dächern und den Grasbüscheln zwischen den Häusern schmolz. Als Bran zum Himmel hochschaute, sah er, dass die Wolken weggetrieben worden waren. Die Sonne stieg über den Bergkamm. Das Wetter war günstig für ihre Wanderung. Eigentlich hätte er sich freuen sollen.
     
    Dielan, Hagdar, Kaer und die anderen warteten ungeduldig auf ihn. Sie waren in Felle, Pelze und lange Umhänge gekleidet. Selbst die Tirganer hatten ihre alten Leinenhemden weggeworfen und kleideten sich wie das übrige Felsenvolk.
    »Es ist so weit.« Turvi streckte seine zitternde Hand zu den Bergen aus. »Kragg erwartet uns im Tal der Träume.«
    Bran führte Tir zu dem zweiten Pferd. Dielan hielt es fest, während Bran ihr half aufzusteigen. Dann kniete er sich neben den Zugschlitten. Konvai saß bereits dort. Er legte Ulv unter den Pelz, zog einen der Befestigungsriemen unter seinen Armen hindurch und band ihn am Rahmen fest. Hagdar brachte ihm eine Fellrolle, einen Wasserschlauch und einen Speer. Bran schnallte sich das Gepäck auf den Rücken und nahm den Speer in die Hand. Dann wandte er sich zu den Schmieden um, die mit verschränkten Armen bei den Häusern standen. Die Zeit für den Abschied war gekommen.
    Er ging zu Karr, der ihm die Hand reichte. Der kräftige Schmied lächelte in seinem schwarzen Bart. »Es freut mich, dich Freund nennen zu können«, sagte er. »Hagdar hat das Geheimnis des Stahls kennen gelernt. Er wird es euch lehren. Ihr sollt wie unsere Brüder sein.«
    »Für immer.« Bran ließ die Hand los und schüttelte die schmerzenden Finger. »Ihr sollt unserem Volk für immer verbunden

Weitere Kostenlose Bücher