Das Verheissene Land
hindurch. Seine Schüler folgten ihm, doch der Trolljäger gab ihnen ein Zeichen zu verschwinden. Er schwankte zu Tir und legte seine Hand an ihren Hals. Dann lauschte er an ihrer Brust und starrte ihr in die Augen.
»Tu etwas.« Bran streichelte ihr durch die Haare. »Du musst sie wieder gesund machen.«
Loke schob sich den Hut in den Nacken. »Zieh ihr diese Kleider aus. Sie sind nass.« Er trat zwei Schritte zurück und riss kreisförmig das Moos weg. »Ein Feuer, hier! Packt sie in trockene Decken.«
Der Waldgeist wandte sich an seine Schüler. »Bile! Hol Wasser! Vile, du schneidest Rinde von der Birke dort vorn. Bul! Bring mir mein Kräutertäschchen!« Danach wandte er sich an Bran. »Tir hat Wundfieber. Die Wunden in ihrer Haut sind gut verheilt, aber in ihrem Inneren hat es weiter geblutet.«
»Du musst sie heilen!« Bran packte den Ärmel des zwergwüchsigen Kriegers. »Du musst sie heilen! Du hast das unten am Strand getan und du kannst das noch einmal!«
Loke befreite sich aus Brans Griff. Er verzog die Lippen zu einem nachdenklichen Schmollmund und kratzte sich hinter dem Ohr.
Da kam Bile mit dem Wasser. Bul reichte Loke ein schmutziges Säckchen, dessen Inhalt Loke ins Wasser kippte. Dielan war bereits damit beschäftigt, Holz für ein Feuer aufzustapeln, doch Loke war nicht zufrieden. Er trat gegen die Zweige und zog Bile am Kragen zu sich, der das Holz erneut aufstapelte. Vile stopfte eine Hand voll Birkenrinde unter das Holz, und Bul schlug Funken mit einem Flintstein. Bald leckten die Flammen am Feuer empor und Loke stellte den Kessel darüber.
»Es eilt jetzt, Bran.« Er rührte beim Sprechen mit einem Stab im Kessel herum. »Die Reise erschöpft sie. Sie braucht bald Ruhe, sonst stirbt sie. Regen und Wind sind nicht gut für sie.«
»Ich werde das Tal finden.« Bran stand auf, doch die Menschen versperrten ihm die Aussicht. Er schob sie weg und trat zwischen die Birken. Doch er wusste, dass er nichts anderes sehen konnte als das, was er in all diesen Tagen gesehen hatte, während deren sie an der Bergflanke entlanggewandert waren. Überall waren Steine und es gab keine Spur von einer Scharte oder einem Pass, über den sie auf die andere Seite der schneebedeckten Berge gelangen konnten. Der Nebel lag dicht über dem Wald. Er verfluchte sich selbst. Er hätte von der Seereise lernen müssen. Niemals hätte er aus Ber-Mar aufbrechen dürfen. Dort hatten sie Schutz. Dort hatten sie Essen. Hier oben gab es kein Leben. Es gab kein Tal.
Er ging zu ihr zurück. Loke rührte noch immer in dem Topf. Sein Gebräu stank. Gwen saß bei Tir und hielt ihre Hand. Tir sah ihn an. Sie weinte.
»In ihrem Speichel ist Blut.« Loke sah zu ihm auf. »Es geht ihr sehr schlecht, Bran.«
Er kniete neben ihr nieder. Ihr rasselnder Atem erinnerte ihn nur zu sehr an Keer und das Hügelland in Vandar.
»Sie wird gesund werden. Die Namenlosen werden ihr helfen.« Bran küsste ihre Hand.
»Vielleicht gelingt es mir, die bösen Wundgeister aus ihrem Körper zu vertreiben.« Loke nahm den Kessel vom Feuer und goss den braunen Sud in einen Holzbecher. Damit ging er zu ihr hinüber, blieb aber vor Bran stehen und flüsterte ihm ins Ohr: »Aber sie wird nie wieder so stark, wie sie war, Bran. Mit jedem Winter wird sie schwächer werden.«
Bran nahm ihm den Becher aus den Händen. Er richtete sie auf und goss ihr den Sud über die blutigen Lippen. Dann drückte er ihren Mund zu und rieb ihren Hals. Da schluckte sie.
»Noch mehr!« Er reichte Loke den Becher. Der Waldgeist versuchte zu sagen, dass es genug sei, doch Bran wollte nichts davon hören. Er goss mehr Sud in den Becher und flößte ihn ihr ein.
»Tir ist stark.« Er warf noch mehr Zweige aufs Feuer. »Sie hat den Angriff der Vandarer auf Fa Ton überlebt. Ein ganzes Jahr hat sie allein auf der Insel dort im Osten verbracht. Sie wird es schaffen. Sie wird nicht sterben. Wenn du etwas anderes behauptest, lügst du!«
Loke trat zu ihm. Er legte seine Hand auf Brans Arm. »Manchmal fällt es schwer, den Willen der Götter zu akzeptieren, Bran. Aber du musst verstehen, dass wir alle irgendwann sterben müssen. Und vielleicht brauchen sie sie jetzt in dem Land auf der anderen Seite. Du musst das verstehen, Bran. Der Wille der Götter…«
Bran wich vor ihm zurück. Alle starrten ihn an. »Tir wird leben!« Bran brüllte sie an. »Wagt es nicht, an mir zu zweifeln! Ich verspotte jeden Zweifler! Und wenn die Götter versuchen, sie mir zu nehmen, werde ich auch sie
Weitere Kostenlose Bücher