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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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die Männer an, Zweige von den Birken zu schneiden und Rindenfackeln zu machen. Sie verbargen sie unter ihren Umhängen, als sie durch den Wasservorhang gingen, und Hagdar und Kaer trugen den jammernden und heulenden Turvi zwischen sich. Schließlich standen sie alle in der Höhle hinter dem Wasserfall. Es rann von ihren Pelzen und die Frauen wrangen sich das eiskalte Wasser aus den Haaren.
    Sie schlugen Funken in die Rinde und zündeten die Fackeln an. Kaer rief nach seinem Sohn. Die Pferde wieherten. Das Feuer fand an der Birkenrinde Nahrung, und die Flammen wuchsen empor. Die Männer hielten sie über ihre Köpfe.
    »Wir müssen dicht beisammen bleiben, Freunde!« Turvi hinkte zwischen ihnen herum. »Wir müssen Bran folgen! Gebt dem Häuptling eine Fackel, Männer!«
    Dielan gab Bran seine Fackel. Bran leuchtete an die Höhlendecke, die hier nur gut mannshoch war, doch die Höhle weitete sich nach innen aus.
    »Es ist dunkel wie in einer Vokkerhöhle«, sagte Hagdar. »Bist du sicher, dass wir hier weitergehen sollen, Bran?«
    Bran kniete neben Tir nieder. Sie hatte sich die Pelze vom Gesicht gezogen und nickte ihm zu. Sie war noch immer trocken. Bran nahm ihr den nassen Pelz ab und gab ihn Turvi zurück. Es war kühl hier drinnen. Nur wenig Licht drang durch den Wasservorhang, und es reichte nicht weit bis in die Höhle hinein. Die Pferde schnaubten. Bran schnupperte in die Dunkelheit. Es roch nach Regen und nasser Erde.
    »Du musst dein Volk in das Tal führen!« Loke stand an seiner Seite und deutete mit seinem kleinen Finger nach vorne. »Es ist nicht mehr weit.«
    Die Worte gaben Bran Mut. Er leitete sein Pferd an Kaer und Turvi, Cergan und Nemni und all den anderen vorbei. Der Boden war mit nassem Sand bedeckt. Jetzt wölbte sich die Decke so hoch über ihn, dass nicht einmal das Licht der Fackel bis oben reichte. Es war weit von einer Seite zur anderen. Manchmal flackerten Schatten über die unebenen Höhlenwände.
    »Sieh dir die Flamme an.« Loke deutete mit seinem Speer auf die Fackel.
    Bran sah es. Die Fackel flackerte und die Flamme beugte sich in Richtung Höhleninneres. Es gab hier einen Luftzug. Auf der anderen Seite musste es eine Öffnung geben.
     
    Das Felsenvolk wanderte lange durch die Dunkelheit. Sie folgten Brans Fackel, denn Bran ging vor ihnen allen, und sein Volk zweifelte nun nicht mehr an ihm. Denn nur Kragg selbst konnte ihm den Weg durch den Wasserfall gewiesen haben.
    Niemand sagte etwas. Die Männer hatten hinter Bran zwei Reihen gebildet, zwischen denen die Frauen mit den Kindern und den Pferden gingen. Turvi saß auf der Stute und leuchtete mit seiner Fackel zur Decke, doch an keiner Stelle konnte er den Fels erkennen. Die Höhle war hoch genug für einen Riesen und breit genug für ein ganzes Heer. Ihre Schritte hallten in der Dunkelheit wider.
     
    Bran wagte es nicht zu zögern oder stehen zu bleiben. Jeder Schritt führte ihn weiter in die Dunkelheit hinein. Noch immer konnte er das Rauschen des Wasserfalls hören, doch jetzt war es nur noch ein entferntes Summen. Manchmal blickte er über die Schulter zurück. Sein Volk bildete eine lange Reihe von flackernden Lichtern, doch um sie herum war alles stockdunkel. Bran beugte seinen Nacken. Er hob Ulv bis an seinen Hals und versuchte seine Angst zu verbergen. Denn er fürchtete dieses Dunkel. Er fürchtete diese Höhle. Es war, als wollten die Felsen über ihm zusammenschlagen, ja, als ob das Dunkel selbst ihn zermalmen wollte.
    So führte Bran das Felsenvolk durch die Gänge der Höhle immer weiter ins Innere des Berges. Es gab keine Kurven oder Hindernisse und nicht einmal Steinblöcke versperrten ihnen den Weg. An einigen Stellen tropfte schmutzig gelbes Wasser aus dem Dunkel über ihnen und bildete Steinkegel auf dem Boden. Das Felsenvolk staunte darüber, denn obgleich sie ein Volk der Berge waren, hatten sie so etwas noch nie gesehen. Turvi meinte, dass sie jetzt im Inneren des Berges seien und dass die Kegel ein Zeichen dafür seien, dass das Gebirge lebte und wuchs.
    Tir war still, und Bran sah sich immer wieder besorgt nach ihr um. Doch Tir zeigte keine Furcht. Sie blickte in das Dunkel über sich. Einmal lächelte sie ihn an und Bran dachte, dass sie ihm Mut machen wollte.
    Sie wanderten immer weiter und bald schien ein ganzer Tag vergangen zu sein. Bran hörte die Kinder jammern, doch er gestattete ihnen keine Pause. Die Waldgeister gingen unmittelbar hinter ihm und Loke flüsterte ihm unablässig zu, dass er nicht

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