Das Verheissene Land
anhalten dürfe. So bat Bran die Männer, die Fackeln zu löschen, um noch welche für später zu haben. Dielan entrollte ein Tau, an dem sie sich alle festhalten sollten, damit sie einander nicht verloren. Nur Bran selbst und Hagdar, der ganz hinten ging, erleuchteten das Dunkel.
Bran wusste nicht, wie weit sie gegangen waren, als er bemerkte, dass der Höhlenboden anzusteigen begann. Die Menschen flüsterten leise und gespannt, als sie ihm nach oben folgten. Die Waldgeister traten an seine Seite. Loke deutete mit dem Speer zur Höhlendecke, die sich jetzt in den Schein der Fackeln absenkte.
Bald konnten sie auch auf beiden Seiten die Wände der Höhle erkennen. Der Boden war hier nicht mehr so eben und der Sand war kahlem Felsgrund gewichen. Es war ein merkwürdiges Gestein, gelbbraun und wellig wie erstarrter Sand. Winzige Bäche rannen zwischen ihren Füßen und Loke beugte sich oft hinunter und schnupperte am Wasser. »Gletscherwasser«, sagte er und nickte. »Wir nähern uns dem Gipfel.«
Noch einen Pfeilschuss wanderten sie weiter empor. Bran kämpfte jetzt gegen seine Angst an, denn die Höhle hatte sich zu einem Gang verengt, in dem kaum drei Männer nebeneinander Platz fanden. Die Pferde senkten ihre Hälse, denn ihre spitzen Ohren kratzten an der rauen Höhlendecke.
Da spürte es Bran. Den Geruch der Kälte. Frische Luft. Ein Windzug. Bran blinzelte in das Dunkel vor sich. Ein paar Speerlängen vor ihnen knickte der Höhlengang nach links ab.
Er ließ die Zügel los und gab Tir den Jungen. Die Waldgeister folgten ihm. Sie bogen um die Ecke. Die Höhlendecke senkte sich über ihnen, doch er beugte den Rücken und tastete sich weiter vor. Er sah eine Öffnung, er sah Licht.
Bran warf die Fackel weg und taumelte auf die Öffnung im Fels zu. Er konnte es nicht glauben. Er strich mit den Händen über die Höhlenwände bis ganz nach vorn zu dem schmalen Spalt. Tatsächlich. Er wedelte mit der Hand, um die dicken Spinnweben zu beseitigen. Er sah dort draußen eine grüne Ebene. Er steckte seinen Arm durch den Spalt und spürte den Raureif. Doch die Öffnung war nur gerade ein paar Hand breit.
Er sank mit dem Rücken an der Höhlenwand zusammen. Die Männer riefen nach ihm. Sie standen noch immer hinter der Ecke und fragten sich, was er wohl gefunden haben mochte. Er vermochte ihnen nicht zu antworten. Er verbarg sein Gesicht hinter den Händen. Die Klauen des Schmerzes packten ihn über den Augen.
Als Bran keine Antwort gab, kamen Dielan und Kaer selbst um die Ecke. Sie sahen den schmalen Spalt in der Höhlenwand und verstanden, dass es schlecht um das Schicksal des Felsenvolkes stand. Kaer ging zu den anderen zurück und berichtete, während sich Dielan neben seinen Bruder setzte und ihn an sich drückte.
»Wir gehen zurück«, flüsterte er. »Vielleicht finden wir einen guten Platz am Rand der Ebene.«
Loke hörte das und trat zu den beiden Brüdern. »Die Fackeln reichen nicht für den Rückweg.« Er stieß Bran mit der Fackel an, die dieser zu Boden geworfen hatte. Nur ein paar verrußte Rindenreste waren noch übrig. »Ihr habt sie zu spät gelöscht. Es gibt keinen Weg zurück.«
Bran blickte auf. Er wollte zu Tir zurückgehen. Sie sollte nicht allein in der Dunkelheit sein.
»Warte.« Loke packte ihn am Handgelenk. »Du vergisst das Wichtigste.«
Bran fasste sich an die Stirn. Die Schmerzen brannten hinter seinem Schädel.
»Den Mut.« Loke heftete seinen starrenden Blick auf ihn. »Du vergisst den Mut, Bran. Du bist der Häuptling deines Volkes. Sie vertrauen dir. Und du musst auf dich und deinen Mut vertrauen!«
Loke trat zum Spalt vor. Er setzte seinen Rucksack ab und legte Decke, Bogen und den kleinen Pfeilköcher beiseite. Dann schob er Bart und Zöpfe unter sein Wams.
»Nun?« Er stemmte die Fäuste in die Hüften. Bile, Vile und Bul standen noch immer mit dem Gepäck auf dem Rücken und den Speeren in den Händen da. Bul kratzte mit der Speerspitze an der Höhlendecke.
»Zieht euch aus, Schüler!« Loke nahm Bul den Speer ab und zog Vile den Rucksack vom Rücken. Dann wandte er sich an Bran. »Ich habe gesehen, dass ihr Äxte habt. Bran. Wir brauchen vier Stück. Und bring Hagdars Schmiedehammer mit.«
Bran begann zu verstehen. Er stand auf und ging zu den anderen zurück. Sein Volk begrüßte ihn wild durcheinander redend. Turvi war vom Pferd abgestiegen und rappelte sich mühsam mit Hilfe seiner Krücken auf. Bran kniete neben Tir, ehe er sich erhob und um Ruhe
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