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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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Mühe machst. Es ist nur ein gemietetes Haus.“
    „Das sagte man mir“, erwiderte Michael ungerührt. „Ich kann sicher einen Garten entwerfen, der Miss Godfreys Budget nicht übersteigt.“ Er wandte sich wieder an Charlotte und ignorierte Melanie. Lächelnd fügte er hinzu: „Und es macht keine Mühe.“
    Charlotte kehrte ins Haus zurück, um zu hören, was Melanie von Michael hielt. Ihr war nicht entgangen, dass sie ihn attraktiv gefunden hatte. Das gefiel ihr. Sie freute sich darauf, kichernd mit Melanie auf dem Bett zu liegen und wie gute Freundinnen oder Schwestern alles zu bereden.
    Sie wollte die Tür zum Schlafzimmer aufdrücken und verharrte.
    Melanie stand vor ihrem Frisierspiegel und betrachtete sich kritisch. Sie fuhr mit den Händen die Taille entlang, zog den Bauch ein und streckte den Busen vor. Dann drehte sie sich von rechts nach links, eine Schulter gehoben, die andere gesenkt, sog die Wangen ein und schürzte die Lippen in einer sinnlichen Pin-up-Pose.
    Verlegen trat Charlotte zurück. Das war peinlich, sie kam sich vor wie ein Spanner. Sie machte noch einen Schritt zurück und sah, wie Melanie ausatmete. Es war bemitleidenswert zu sehen, wie Schultern, Bauch, Brüste und Gesicht nach unten sackten. Melanie stand still vor dem Spiegel, und ihr Busen hob und senkte sich im Rhythmus ihrer Atmung. Plötzlich schlug sie die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich.
    Lautlos zog sich Charlotte zurück. Sie fühlte mit Melanie, denn sie kannte den Schmerz, das eigene Spiegelbild nicht zu ertragen.
    Auf der Rückfahrt im Lieferwagen ließ Bobby seinen jüngeren Bruder nicht vom Haken. Gnadenlos pries er Charlottes Schönheit, Haltung und Liebreiz und alles, was ihm einfiel. Je überschwänglicher er wurde, umso mehr versteinerte Michael. Dieses Spiel hatten sie schon auf der High School getrieben.
    „Madre de Dios
, sie hat ein Engelsgesicht. Diese schönen großen Augen. Ich würde sie gern in einem meiner Wandgemälde verewigen. Ich würde es
Venus aus der Taco Muschel
nennen.“ Er beugte sich lachend über das Steuer. „Glaubst du, sie würde nackt posieren?“
    Michael zog die Stirn kraus. „Pass auf, wo du hinfährst! Und pass auf, was du sagst! Halt besser an, ich fahre.“
    „Von wegen, Gringo. Du bist in Gedanken bei der hübschen kleinen Gringa. Und ich werde mein Leben nicht in deine fiebrigen Hände legen. Wer weiß, nach was du grabschst, wenn du runterschaltest. Aber diese Melanie.“ Er pfiff leise. „Was war denn das für eine? Wenn ich wetten würde, hätte ich fünf Dollar darauf gesetzt, dass all die guten Sachen aus ihrem Bikini fallen, ehe wir weg sind.“
    „An Versuchen hat es jedenfalls nicht gemangelt.“
    Bobby lachte laut auf.
    Michael schüttelte angewidert den Kopf. „Ich kann aufreizende Frauen nicht ausstehen. Da bleibt nichts der Fantasie überlassen.“
    „Ich weiß nicht recht, die Fantasie hatte doch ganz schön zu tun. Verbotenerweise natürlich. Oder hast du dir etwa nicht vorgestellt, wie die herrliche Charlotte Godfrey im Bikini aussieht?“
    Michael sah seinen Bruder nur finster an.
    „O verstehe“, erwiderte Bobby verblüfft und bedauernd. „Keine Scherze über die Lady. Hat dich Amors Pfeil endlich durchs Herz getroffen? Nun denn.“ Er dachte einen Moment nach. „Papa wird das nicht gefallen. Er erwartet eine mexikanische Schwiegertochter und viele kleine mexikanische Babys.“
    „Nein, nein“, widersprach Michael lachend. „Du bist der älteste Sohn der Mondragons. Diesen Ansprüchen gerecht zu werden, ist deine Aufgabe.“
    Bobby wurde sehr schweigsam. Michael merkte, wie angespannt er hinter dem Steuer saß. Sie fuhren einige Meilen in betretenem Schweigen. Bobby zündete sich eine Zigarette an und streifte Michael immer wieder mit Seitenblicken. Dabei wechselte sein Ausdruck von vorsichtig über abwägend zu resigniert.
    „Die Zeugung von Mondragon-Babys wirst du übernehmen müssen,
hermano“
, begann er gespielt lässig, machte eine Pause und schnippte die Asche ab. „Ich bin schwul.“
    Michael verschlug es die Sprache. Er starrte auf die Straße und konnte nicht begreifen, was er gehört hatte. Nicht Bobby. Nicht ein Mondragon.
    Insgeheim musste er jedoch zugeben, nicht wirklich erstaunt zu sein. Bobby hatte ihm immer Rätsel aufgegeben. Er war exzentrisch, hatte Stil und guten Geschmack, war eben kultiviert. Was machte es da schon, wenn er mit einunddreißig noch keine Freundin hatte. Er war eben nicht an Sex interessiert. Besser

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