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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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her! Ich sterbe vor Neugier.“
    Er entrollte die Entwürfe, doch der Wind zerrte an dem dünnen Papier.
    „Das geht so nicht“, rief sie und hechtete hinter einem davonwehenden Blatt her. „Gehen wir ins Haus. Außerdem brauche ich dringend einen Kaffee. Was ist mit Ihnen?“
    „Sie sind ein Gnadenengel.“
    „Wie trinken Sie Ihren Kaffee?“
    „Stark und schwarz, bitte.“
    Klar, wie auch sonst, dachte sie mit einem Seitenblick auf ihn. Er trug das lange Haar heute wieder zum Pferdeschwanz gebunden. Froh, Melanies Lasagnereste gestern Abend noch weggeräumt zu haben, führte sie ihn in die Küche. Er breitete die Entwürfe auf dem Küchentisch aus und beschwerte sie mit verschiedenen Utensilien. Die Zuckerdose stand auf dem Magnolienbaum, eine Gabel begleitete eine Reihe Rhododendron, ein Löffel lag auf dem Staudenbeet, und der Salzstreuer hielt ein paar australische Pinien nieder. Charlotte setzte sich, stützte das Kinn in die Hände und betrachtete den Plan wie ein Kind ein Bilderbuch.
    In blauer Tinte gezeichnet, war aus dem felsigen Terrain ein lebendiger Garten mit blühenden Büschen, wenigen ausgewählten Bäumen, Staudenrabatten, Bodendeckern und Sommerblumenbeeten geworden.
    „Das ist umfangreicher, als Sie es verlangt haben. Aber machen Sie sich darüber keine Gedanken. Ich stelle mir gern ein Gesamtbild vor. Dann können wir es gemeinsam auf das zusammenstreichen, was Sie sich leisten können und wollen. Das ist nicht der Versuch, möglichst viel zu verkaufen, glauben Sie mir. Es geht eher darum, Ihnen eine Auswahl anzubieten.“
    „Wer sagt, dass ich mir Gedanken mache? Ich bin nur sprachlos. Kaum zu glauben, dass es dasselbe Grundstück ist. Es ist … wunderbar.“
    Erfreut erklärte er: „Der Trick ist, den Raum bestmöglich zu nutzen. Man braucht nicht viel Fläche, um einen schönen Ort zu schaffen, an den man gerne heimkommt.“
    Genau das hatte sie sich gewünscht, einen Ort, an den sie gerne heimkam. „Was ist das?“ fragte sie, als sie bei der Durchsicht der Skizzen eine vom Haus entdeckte.
    „Die sollten Sie gar nicht sehen“, erwiderte er und zog sie aus dem Stapel.
    „Bitte, ich möchte aber. Auch wenn Umbauten jenseits meiner Möglichkeiten liegen.“
    Er fuhr mit dem Zeigefinger die blaue Linie entlang, welche die linke Seite des Hauses über die geplattete Terrasse zum Hang hin ausdehnte. Sein gebräunter Unterarm war mit Kratzern übersät. „Ich konnte nicht anders. Für mich war offensichtlich, was diesem Haus fehlt. Ich weiß, dass es gemietet ist. Ich habe es rein zum Vergnügen gezeichnet, weil ich lange keine Architekturzeichnung mehr angefertigt habe.“
    Eindeutig galt sein eigentliches Interesse dem Haus und nicht dem Garten. „Warum haben Sie die Architektur aufgegeben?“
    Mit ernster Miene legte er eine Gartenskizze über die Hausskizze. „Das habe ich gar nicht. Ich arbeite nur vorübergehend in der Gärtnerei mit, um meiner Familie zu helfen.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Manchmal geht die Familie eben vor.“
    Die Loyalität zu seiner Familie und seine Zurückhaltung, über Privates zu sprechen, machten ihn ihr noch sympathischer. Michael Mondragon war von einer ruhigen Reserviertheit, die ihr sehr gefiel.
    „Bauen Sie Wohnhäuser?“
    „Auch. Aber meine Liebe gilt Wolkenkratzern. Etwas zu bauen, das buchstäblich an den Wolken kratzt, ist aufregend. Erhebend.“ Seine Begeisterung war unverkennbar.
    „Von der Erde zum Himmel, das ist ein weiter Sprung.“
    Er lächelte, da sie ihn zu verstehen schien. Mit Blick auf die Entwürfe fragte er. „Und was ist mit Ihnen?“
    „Mit mir?“
    „Sie haben gerade einen Sprung in die Filmwelt gemacht. Auch nicht übel.“
    „Wenn Sie wüssten“, erwiderte sie leise und fingerte an einer Skizzenecke herum. „Ich hatte sehr viel Glück. Ich wollte immer schauspielern, aber ich habe nicht geglaubt, dass ich tatsächlich die Chance dazu bekommen würde.“ Als er sie fragend ansah, fügte sie hinzu: „Sagen wir einfach, ich war ein unbeholfenes Kind.“
    Er legte seinen Schreibstift beiseite und setzte sich neben sie. „Schöne Frauen sagen immer, wie hässlich sie als Kinder waren. Warum? Das klingt mir ein bisschen unehrlich.“ Er lehnte sich zurück. „Ich kann nicht glauben, dass Sie jemals hässlich waren. Wahrscheinlich sind Sie schon perfekt auf die Welt gekommen.“
    Charlotte rang sich ein Lächeln ab und senkte den Blick. Ihr Magen brannte vom Kaffee. „Glauben Sie mir, ich war

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