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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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hatte es vor fünfzehn Jahren gebaut, sobald die Kinder in der katholischen Schule waren und er die Vororte verlassen konnte. Es war ein bescheidenes, fröhliches Haus voller mexikanischer Musik, den Düften aus Mamas Küche und den vertrauten Klängen der spanischen Sprache.
    Michael überlegte, dass sein Vater ruhiger wirkte, seit er zurückgekommen war und das Geschäft führte. Er saß jetzt häufiger entspannt vor dem Fernseher und sprach sogar davon, mit Marta einen Urlaub zu machen – ihren ersten. Die Sorgenfalten auf seiner Stirn hatten sich geglättet, und sogar Marta lächelte häufiger und nahm sich Zeit, mit ihren Enkelkindern zu spielen.
    Michael wusste jedoch, dass sich seine Zeit hier dem Ende zuneigte. Er würde bald nach Chicago zurückreisen und sein altes Leben wieder aufnehmen. Das war längst überfällig. Er wollte vor dem ersten Schneefall wieder dort sein. Er musste es nur noch seinem Vater mitteilen.
    Tief durchatmend wischte er sich einige Blätter von der Jacke, trat sich, mit den Füßen aufstampfend, den Schmutz ab und betrat das Haus zu fröhlichen Willkommensrufen.
    Maria Elena zog ihn lachend an der Hand zum Kamin. „Schau, Tío Miguel.“ Ihre Wangen waren gerötet vor Aufregung oder von der Hitze der Flammen. „Abuelo Luis hat das erste Feuer gemacht.“
    „Mir zu Ehren“, informierte ihn sein elfjähriger Neffe Cisco mit stolzgeschwellter Brust. „Weil ich Geburtstag habe.“ Der Duft von Kastanien durchzog den Raum. Papa und Manuel saßen am Tisch, tranken Bier und spielten Karten. In der Küche bereiteten Mama und Rosa das Essen vor. Nicht selten kamen Onkel und Tanten mit Nichten, Neffen und zahllosen Cousins zu Besuch aus Mexiko. In diesem Haus waren alle willkommen.
    Bobby war noch nicht da. Michael rieb sich die Hände vor dem Kamin. Er bedauerte, dass Bobby sich während des Sommers nicht nur von ihm zurückgezogen hatte, sondern von der gesamten Familie. Vielleicht befürchtete er, dass die Wahrheit ans Licht kam, und mied das Risiko, indem er sich fern hielt. Dass Bobby seiner Verschwiegenheit offenbar nicht traute, kränkte ihn. Geradezu verärgert war er aber, weil Bobby so selten kam. Mama vermisste ihn beim Sonntagsdinner.
    „Wo bleibt Roberto?“ fragte seine Mutter besorgt und sah aus dem vorderen Fenster. Wieder trug sie eine Schüssel zu dem langen Holztisch. „Seit seinem letzten Besuch sind Wochen vergangen.“
    „Er kommt schon, Mama“, rief Rosa. „Er weiß, dass Cisco Geburtstag hat. Er wird die Feier nicht versäumen.“
    „Meinst du?“ raunzte Luis. „Er hat kein
respeto
. Er liebt seine wilde Lebensstil mit seine Malerfreunde in Los Angeles. Durchmachen die ganze Nacht, in Bars gehen. Er ist ein Nichtsnutz. Er sollte sich besser benehmen, wenn er kommt her und ist zusammen mit den Kleinen. Manuel und Rosa, sie bringen Kindern bei, Respekt zu haben vor Familie und unsere Tradition.“ Mit einer brüsken Geste befahl er: „Geh weg von Fenster, Marta.“
    „Der Seele Fenster bleibt versperrt …“
, flüsterte Michael auf Englisch.
    Luis sah ihn argwöhnisch an. „Was murmelst du da in deine Englisch?“
    „Bobby ist erwachsen und fähig, sich seine eigenen Freunde zu suchen“, erwiderte Michael ruhig und starrte ins Feuer. „Wenn wir schon von Respekt reden, dann sollten wir auch seine Wahl respektieren.“ Er betrat gefährliches Terrain und wusste es.
    Sein Vater sah ihn durchdringend an und versuchte die Bedeutung dieser Bemerkung einzuordnen. „Er hat nicht gewählt uns, seine Familie“, polterte er und schlug sich auf die Brust. „Er ist Fremder für seine Eltern.“
    „Er ist, wie er immer war“, wandte Marta leise ein, „ein guter und loyaler Sohn.“
    „Loyal? Wie kannst du sagen so? Ist er jetzt hier zu Ciscos Geburtstag? Arbeitet er in Familienbetrieb wie seine Schwester und sein Bruder? Nein!“ donnerte er. „Er hat Wahl getroffen, nur zu arbeiten in Sommer. Weil er braucht das Geld, nicht weil wir brauchen ihn. Er hat Wahl getrofffen, in Stadt zu leben und Wände anzumalen mit seine Freunde, die haben blaue Haare und weiche Hände. Dazu ich habe meine Sohn nicht erzogen. Er ist der Älteste, er sollte besser sein wie der Jüngere.“
    Michael schüttelte stöhnend den Kopf. „Nein, Papa, hör doch auf.“
    „Was? Die Wahrheit sagen? Du bist fuerte und formal.“ Er hob die Hand und zählte es an den Fingern ab.
    „Cisco, Maria!“ sprach Michael die Kinder an. „Geht und seht euch einige Minuten das

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