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Das verletzte Gesicht

Das verletzte Gesicht

Titel: Das verletzte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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Fernsehprogramm an. Ich möchte mit eurem Großvater reden.“
    Er musste seinem Vater jetzt mitteilen, dass er bald abreiste. Offenbar glaubte Luis, mit seinem ständigen Drängen, er solle bleiben, Erfolg gehabt zu haben. Doch sein Entschluss zu gehen stand fest, selbst wenn das zu einem Riss durch die Familie führte, breiter als der Sankt-Andreas-Graben. Es grummelte bereits, das Erdbeben war überfällig.
    „Ich will nicht Fernsehen gucken“, widersprach Cisco und drängte sich mit Schmollmiene an Michael. „Ich will bei dir bleiben.“
    Manuel sah von den Karten auf und befahl seinem Sohn barsch auf Spanisch, seinen Onkel in Ruhe zu lassen. Cisco drängte sich rebellisch nur noch enger an Michael. „Ich kann bleiben, wenn ich will, es ist mein Geburtstag!“ Das war offener Widerstand, zu Michaels Zeiten undenkbar.
    Manuel sprang zornrot auf, warf den Tisch um und verstreute die Karten. Cisco duckte sich, und Michael legte ihm schützend einen Arm um die Schultern. Dabei fiel sein Blick auf Ciscos Arme, die von blauen Flecken verunziert waren.
    „Ist schon in Ordnung“, erwiderte er ruhig und verbarg seine Empörung. Er verabscheute Gewalt gegen Kinder. Er hatte als Junge häufig den Riemen zu spüren bekommen und duldete keine Prügelstrafen. Er wusste, dass Manuel ein hitziges Temperament und eine harte Hand hatte.
    „Riskiert der Junge wieder eine Lippe?“ rief Rosa aus der Küche. Ihr Zorn war unüberhörbar, und Michael spürte Cisco zittern. Wenn Rosa schlechte Laune hatte, verharrten sogar die Fliegen an der Wand.
    „Lass ihn!“ rief Michael zurück. Dann wandte er sich an Manuel. „Ich lese ihm eine Geschichte vor, während ihr euer Kartenspiel beendet. Mit Papa rede ich später.“
    „Wie du willst.“ Manuel warf seinem Sohn einen warnenden Blick zu. „Du musst Erwachsene respektieren“, fügte er hinzu.
    „Genug“, befand Luis und forderte Manuel mit einer einladenden Handbewegung auf, sich wieder zu setzen. „Hör auf zu stören, ja? Wir spielen Karten. Marta, beeil dich mit Dinner. Ich bin hungrig. Danach wir essen großen Kuchen, ja? Ich liebe Süßes, und ich hole heraus Zigarren für Geburtstag von deine Sohn. Komm, Manuel, beenden wir Spiel. Überlass Kinder den Frauen.“
    „Rosa!“ rief Manuel und imitierte im Ton seinen Schwiegervaters. „Sei zur Abwechslung eine gute Frau und leg für die Kinder noch ein paar Kastanien auf den Grill. Und mach ein bisschen Musik, ja?“
    Rosa tötete ihren Mann geradezu mit Blicken, tat aber aus Respekt vor ihrem Vater, worum sie gebeten wurde.
    Michael merkte, wie Cisco ihn langsam losließ, und las Triumph in seinem Blick. „Du kleiner Teufel“, flüsterte er ihm zu und umarmte ihn fest. Zu Hause würde es sicher noch Prügel setzen. Ein paar Schläge mit dem Gürtel waren das Mindeste für seine Aufsässigkeit. Aber Cisco würde den Schmerz nicht spüren, das wusste Michael. Oft genug hatte er mit seinem Vater dieselbe Szene durchexerziert. Und nachher am späten Abend würden sie wieder in die alten Rollenmuster verfallen: der unnachgiebige Vater und der widerspenstige Sohn. Doch diesmal würde der Schlagabtausch heftig sein, und sie würden den Schmerz beide spüren.
    „Feliz Cumpleaños!“
Bobby riss die Tür auf, einen großen Karton auf den Armen. „Wo ist das Geburtstagskind?“
    Cisco sprang auf, sein Geschenk anzunehmen. „Nintendo! Wow, danke, Tío Roberto!“
    Aus den Lautsprechern erklang mexikanische Musik, Marta klatschte freudig in die Hände, und die Kinder quiekten, bis Tío Roberto das Paket öffnete. Der Augenblick der Anspannung verflog, Roberto kehrte erfolgreich in den Schoß der Famiie zurück, und das Dinner wurde serviert. Nur eine Vier auf der Richterskala, dachte Michael, ein kleineres Erdbeben.
    Nach dem Dinner folgte Michael seinem Schwager hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    „Auf ein Wort, Manuel“, sagte er und holte ihn an seinem roten Mercury ein.
    Manuel schloss leicht vorgebeugt die Wagentür auf und blickte erstaunt über die Schulter. Sofort richtete er sich respektvoll wieder auf. Vermutlich, weil ich sein Boss bin, dachte Michael. „Ich möchte mit dir über Cisco sprechen.“
    „Eijei“, stöhnte er, lächelte aber dabei. „Das Bürschchen ist vielleicht ‘ne Hand voll. Erst elf und weiß schon alles besser. Zu allem hat er eine Meinung.“
    Michael betrachtete ihn. Anscheinend war Manuel stolz auf seinen Sohn. Er räusperte sich und sagte vorsichtig: „Mir scheint, er hat zu

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