Das verletzte Gesicht
bevor der bezogene Himmel seine Schleusen öffnete.
Michael fing den Blick des Regisseurs auf, der ihn leicht stirnrunzelnd betrachtete, was ihn wunderte. Dann ging George Berman zum Bett und gab den Schauspielern letzte Anweisungen. Dabei beugte er sich zu Brad Sommers hinunter und flüsterte ihm etwas zu. Michael bemerkte, dass Sommers sich suchend umschaute, bis er ihn entdeckte. Danach sah er den Regisseur an und nickte. Offenbar tuschelten sie über ihn. Eigenartig.
Das Stichwort kam, es wurde still, die Kameras surrten und die Aufnahme begann.
Michael verfolgte aufmerksam, was Charlotte tat. Dabei unterdrückte er den Drang, ihre nackten Schultern zu bedecken, den anderen Mann aus dem Bett zu zerren und sie vor den starrenden Blicken zu schützen. Sie trug ein weißes, mit zarten Rosen besticktes Nachthemd, das mit dünnen langen Bändern unter den Brüsten gehalten wurde. Es glitt herab, entblößte ihre Schulter, ihren langen Schwanenhals und die sanfte Wölbung einer Brust.
Die dunklen Ränder, die sie heute Morgen unter den Augen gehabt hatte, waren dank der Kunst der Maskenbildner verschwunden. Ihr Kopf ruhte auf dem Kissen, das Haar war wellenartig ausgebreitet. Die schlanken Arme waren einladend über den Kopf gereckt. Sie war so schön, dass er sie wie gebannt anstarrte.
Hier, im Licht der Kamera, sah er sie so wie in seinen Träumen der letzten Monate seit ihrer Abreise. So hätte er sie gern letzte Nacht gesehen. Leider war der nackte Mann neben ihr ein Fremder. Die Hand, die ihre Wange streichelte und hinabglitt zu ihrer Schulter, war die eines anderen. Natürlich wusste er, dass es Schauspielerei war, trotzdem war es bitter und schmerzlich für ihn, das mit anzusehen.
Der Mann – Michael weigerte sich, ihm einen Namen zu geben – sprach zärtliche Worte der Liebe. Charlottes verträumter Gesichtsausdruck besagte, dass sie ihm glaubte. Ihr Blick war sehnsüchtig, und ihre Brüste hoben und senkten sich in einer Leidenschaft, die er für sich reserviert glaubte. Sein Körper reagierte wie bei einem primitiven Voyeur, während er zusah, wie ein anderer die Frau streichelte, küsste und liebte, die ihm gehörte.
Richtig wütend machte ihn allerdings die instinktiv gespürte Gewissheit, dass der Mann dort ebenfalls erregt war. Er erkannte es am Zittern der Hände, an der Rötung der Wangen und der Inbrunst des Kusses. An einem bestimmten Punkt hatte das Schauspielern aufgehört und echte Leidenschaft eingesetzt.
Michael beobachtete die anderen am Set. Kamermann, Beleuchter und Regisseur atmeten mit offenen Mündern. Zu seinem Entsetzen hatten alle denselben hingerissenen Gesichtsausdruck, während sich die Liebesszene entwickelte.
Eifersüchtig ballte Michael die Hände. Er wollte die Kameras wegreißen und den Mann erdrosseln, der es wagte, seine geliebte Charlotte zu küssen. Danach wollte er sie wegbringen und ihr mit seiner Leidenschaft klar machen, dass sie ihm gehörte.
Die Szene nahm kein Ende. Wie erstarrt sah Michael, dass der Schauspieler plötzlich Charlottes Nachthemd zerriss. Sie wehrte sich. Als der Mann sich in einer einzigen fließenden Bewegung rittlings auf sie schwang, machte er unwillkürlich einen Schritt vor. Das Laken fiel beiseite und entblößte Charlottes volle Brüste mit den harten dunklen Spitzen.
Michael unterdrückte einen Wutschrei, wandte sich ab und floh an die frische Luft.
Die Szene endete Minuten nach Michaels Weggang. Der Regisseur rief: „Schnitt und fertig!“ Das Team applaudierte erleichtert. Charlotte stieß Brad zurück, zog sich unter das Laken zurück und wickelte sich fest darin ein. Freddy Walen, der in einer dunklen Ecke stand, sah Michael davongehen und schmunzelte zufrieden. Genüsslich hatte er beobachtet, wie Michael während der Szene litt.
Das ist gut, dachte er bei sich, sehr gut sogar. Besser hätte ich es nicht planen können. Männer reagierten in solchen Situationen auf zwei Arten, entweder mit Eifersucht wie Michael, oder sie stolzierten mit geschwellter Brust einher, weil andere sich nach ihrer Frau verzehrten. Eifersucht gefiel ihm besser. Verletzte Gefühle waren leichter zu manipulieren.
Er folgte ihm hinaus und lächelte erneut, als er Michael, Hände in die Taschen gestopft, dastehen sah, das Gesicht eine gequälte Maske. „Was tun Sie denn hier?“ fragte er und kam zu ihm.
Michael streifte ihn mit einem Seitenblick und schlug den Mantelkragen hoch. „Was wollen Sie, Walen?“
„Das wollte ich Sie gerade fragen.
Weitere Kostenlose Bücher