Das Verlies der Stuerme
hast.«
»Das dürfen sie natürlich gern hören.« Jetzt grinste auch sie.
Als sie zu den anderen zurückgingen und ihnen von dem Plan erzählten, sich im Wolkengebirge zu verschanzen, verschränkte Nica die Arme und knurrte: »Ich will nicht zurück nach Trollfurt.«
»Aber dort kennen wir uns aus, dort …«
»… ist meine Mutter.«
»Meine auch«, mischte sich Yanko ein und wirkte plötzlich ernst. »Ich würde gern wissen, wie es ihr geht. Wie es allen geht.«
»Da darfst du aber allein nachschauen!«, rief Nica und stürmte in den Wald. Mit einem verwirrten Blick rannte Yanko ihr nach.
Ben sah ihnen mit offenem Mund hinterher. »Sag mal, habt ihr euch abgesprochen, du und Nica?«
»Äh, nein.«
»Du Schwachkopf! Rotznasiges Muttersöhnchen!«, scholl Nicas Stimme aus dem Wald.
»Sicher?«, fragte Ben.
»Sicher. Aber vielleicht wollte sie nur geküsst werden.«
Ben schüttelte den Kopf und dachte, dass er die Mädchen nie verstehen würde. Um einen Kuss könnte sie ja auch anders
bitten, doch weitere Beschimpfungen hörte er nicht, kein weiteres lautes Wort.
Als die beiden wieder aus dem Wald kamen, hielten sie sich an den Händen, und Yanko schlug vor, sie können ja auch erst einmal zurückfliegen und sich dann ein schönes Versteck suchen. »Muss ja nicht das Wolkengebirge sein.«
Ben nickte. Und war froh, dass daraufhin keiner der Drachen davonstürmte.
»Was hast du jetzt genau vor?«, fragte Nica beim Packen. »Als wir Marmaran gesucht haben, wussten wir genau, was wir wollten. Aber jetzt?«
»Befreien wir die anderen Drachen«, sagte Ben knapp. Er wusste selbst, dass das kein ausgeklügelter Plan war.
»Da sind Hunderte, vielleicht Tausende im ganzen Land. Und während du einen heilst, hat der Orden drei anderen die Flügel abgehackt. Du warst es doch, der mir bei unserem Schwur damals erklärt hat, dass es unmöglich ist, alle zu befreien, dass wir uns auf einen festlegen sollen.«
»Wir sind einfach zu wenige«, mischte sich Yanko ein. »Wir müssten mehr sein.«
»Ja. Aber woher sollen wir mal eben tausend Verbündete nehmen? Soll ich sie mir aus der Nase popeln?«, fragte Ben bissig. »Wir sind Geächtete und allein. Alle anderen glauben, dass geflügelte Drachen verflucht sind.«
»Das habt ihr früher aber auch geglaubt«, sagte Aiphyron.
»Ja, früher …« Ben winkte ab.
»Aber wenn wir uns geändert haben, können das die anderen auch«, sagte Nica.
»Der Orden glaubt uns kein Wort«, sagte Yanko. »Der hat uns gehenkt, bevor wir den Mund aufgemacht haben.«
»Er will die Wahrheit nicht hören, weil sie bedeutet, dass er seine Macht verliert«, wiederholte Ben das, was ihm Aiphyron vor Monaten erklärt hatte.
»Dann müssen wir eben andere Leute überzeugen«, sagte Anula. »Leute wie uns.«
»Das ändert nichts daran, dass der Orden Drachen die Flügel abschlägt.«
»Aber wir gewinnen vielleicht Verbündete«, sagte Yanko. »Und können irgendwann schneller Drachen befreien, als der Orden neue versklaven kann.«
Ben nickte. Die Wahrheit zu verbreiten, schien so wichtig zu sein wie Drachen zu befreien. Der Orden profitierte von der falschen Legende, aber für alle anderen würde die Wahrheit das Leben ändern, so wie sie es bei ihnen selbst getan hatte. Darauf würden sie bauen. Jetzt mussten sie nur eine Möglichkeit finden, dass ihnen jemand zuhörte, statt beim Anblick der geflügelten Drachen panisch zu fliehen.
»Zur Not müssen wir einfach neben den Fliehenden herfliegen und immer weiter auf sie einreden, bis sie erschöpft sind«, schlug Marmaran vor.
Ben bezweifelte, dass eine Verfolgung besonders viel Vertrauen förderte, aber irgendwie würden sie es schon schaffen. Er glaubte an die Kraft der Wahrheit.
STURM
Z wei Tage lang waren sie beinahe ohne Unterbrechung geflogen. Seit Stunden hatte Ben das Gefühl, als säße er auf einem brennenden Stirnstachlernest, als Aiphyron endlich rief: »Ich seh die großtirdische Küste. Irgendwo dort vorn muss der Dherrn münden.«
Ben kniff die Augen zusammen, doch er konnte nichts erkennen außer Meer und einem diesigen Streifen am fernen Horizont. Sollte das die Küstenlinie sein? Oder war das nur eine Nebelbank? Der Flügelschlag des Drachen war noch immer gleichmäßig, kam Ben aber müder vor. Immer wieder frischte der Wind auf, und die letzte Erholungspause war lange her.
»Was meinst du, wann sind wir dort?«, fragte er.
»Nachher. Irgendwann.«
»Ach nein. So genau wollte ich es dann doch nicht
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