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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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die Finger wurden ihm steif, das Kinn schlug gegen die rauen Schuppen. Und dann waren sie draußen, hatten das tosende Meer verlassen und wurden wieder vom Sturm gebeutelt, der laut in Bens Ohren heulte. Er japste und schnappte nach Luft, öffnete langsam die brennenden Augen. In der rechten Klaue des Drachen hing der Junge.
    Ben jubelte.
    Auch der Junge schnappte gierig nach Luft und sah sich schließlich um. Er warf den Kopf hin und her, plötzlich Panik in den Augen. Dabei begann er zu schreien und zu strampeln, wollte sich losreißen und hämmerte mit den Fäusten voller Angst auf die Krallen, die ihn umklammerten.
    Wollte der vermaledeite Höhlenkopf etwa wieder ins Meer stürzen?
    »He! Halt still, Furznase!«, brüllte Ben. »Oder willst du ersaufen?«
    Der Junge drehte sich zu Ben um und erstarrte. Offenbar hatte er ihn bislang noch nicht wahrgenommen. Einen langen Moment stierte er ihn an, dann begann er wieder wild
um sich zu schlagen. »Ich will nicht sterben! Ich will nicht sterben!«
    »Dann halt still!«
    Und tatsächlich erlahmten seine Schläge, aber vielleicht auch nur, weil er aufgegeben und nicht verstanden hatte, dass der Drache seine Rettung war.
    Ben atmete durch, dann fiel ihm der Mann wieder ein, der den Jungen auf die Planke hatte ziehen wollen, und er blickte über die Schulter zurück. Hinter ihnen flog Marmaran, er torkelte im Unwetter hin und her. Mit beiden Klauen hielt er eine Gestalt umklammert, die strampelnd um sich schlug, noch heftiger als es der Junge getan hatte. Ben erkannte den Schiffbrüchigen, der wirklich zäh zu sein schien, wenn auch nicht besonders helle. Juri und Feuerschuppe folgten ihnen mit leeren Klauen. Niemand sonst hatte das Unglück überlebt.
    Aiphyron hatte Kurs auf die Insel genommen, unmöglich konnten sie die beiden Geretteten bis ans Festland tragen, die Drachen waren schon vorhin erschöpft gewesen.
    »Halt endlich still, du triefender Wurm!«, hörte Ben Marmaran brüllen.
    Der Junge begann wieder zu zappeln, und Aiphyron fauchte ihn an, zu sehr mit dem Fliegen beschäftigt, um klare Worte zu artikulieren.
    Immer wilder tobte der Sturm, immer beharrlicher blies er ihnen entgegen, als wollte er sie mit aller Macht von der Insel fernhalten. Doch sie mussten sie erreichen, bevor die Drachen ihre letzte Kraft verloren. Andernfalls würden sie alle ertrinken – niemals würden sie es in diesem Unwetter bis ans Festland schaffen, nicht einmal, wenn sie die eben geretteten Schiffbrüchigen wie Ballast abwarfen.

    Nein, dachte Ben, das wäre noch schlimmer, als ihnen beim Ertrinken zuzusehen. Sie mussten es einfach schaffen. Er klammerte sich an Aiphyron, feuerte ihn stumm an und versuchte, ihm die Erschöpfung mittels seiner Gabe zu nehmen. Doch er konnte nicht, keine Heilkraft floss durch ihn, nur die Muskeln zuckten vor Anstrengung.
    Stück um Stück näherten sie sich der Insel. Wolken wirbelten hoch über den zahlreichen Zinnen der riesigen Festung, und mit einem Mal erfasste der Sturm sie von der Seite, schleuderte sie um die Insel herum. Aiphyron überschlug sich, brüllte und warf sich mit gebleckten Zähnen gegen den Wind.
    Ben schrie und rutschte weg, seine Linke löste sich von den Schuppen, panisch griff er in alle Richtungen, fand an Aiphyrons Ohr Halt und packte zu. Aiphyron fauchte und warf sich mit aller Kraft nach vorn.
    Und dann, mit einem Mal, regte sich die Luft um sie nicht mehr. Hinter ihnen, nur wenige Schritt entfernt, noch um das Ende von Aiphyrons Schwanz, toste weiterhin das Unwetter, doch hier war alles ruhig. Selbst zu hören war es kaum, so als wäre es eine Meile entfernt.
    Überrascht von der plötzlichen Ruhe verlor Aiphyron das Gleichgewicht und stürzte die letzten Schritt bis zum Ufer mit schlagenden Flügeln voran, als wäre er gestolpert. Unbeholfen prallte er auf den felsigen Grund. Ben fiel von seinem Rücken und rollte sich ab, so gut es ging. Dabei schlug er sich das rechte Knie auf, doch es floss nur wenig Blut.
    Aiphyron hatte die Klaue geöffnet, und der Junge rutschte heraus. Hastig krabbelte er zwei, drei Schritt davon, dann sackte er zusammen und blieb keuchend und hustend liegen. Sein nasses schwarzes Haar hing ihm tief in die Stirn, er
war kleiner als Ben und hager und hatte erstaunlich große Füße. Furcht stand in den großen grünen Augen, die Nase tropfte, doch war nicht zu erkennen, ob von Wasser, Tränen oder Rotz. Ben schätzte ihn auf höchstens dreizehn Jahre.
    »Sucht euch Deckung«, knurrte Aiphyron,

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