Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
und Ben warf sich hinter einen Felsen. Doch das Unwetter wanderte keinen Schritt weiter, es fiel nicht über sie her, sondern verharrte einfach draußen auf dem Meer. Ungläubig starrte Ben auf die Wellen, die schäumend ans Ufer klatschten, viel kleiner als die großen Brecher dort draußen. Als würde das Unwetter die Insel meiden. Noch immer regte sich kein Lüftchen. Vorsichtig hob er den Kopf und sah nach seinen Freunden.
    Einer nach dem anderen durchbrach die Sturmwand und wurde irgendwo ans Ufer der Insel geschleudert. Verwirrt und fluchend blieben sie liegen oder suchten Deckung. Dann, nach einigen Augenblicken, rappelten sie sich auf wie Ben und blickten misstrauisch umher.
    Nica stützte Yanko, der aus der Stirn blutete, ihren Arm aber schnell abschüttelte. »Ist nur ein Kratzer.«
    Anula stolperte auf Ben zu und blickte hektisch hin und her. Marmaran folgte ihr, noch immer hielt er den Mann in seiner Klaue, fast als hätte er ihn über den Kampf mit dem Sturm und die plötzliche Stille vergessen. Bald waren sie alle beisammen und schielten weiterhin misstrauisch nach dem Unwetter. Es schien ein wenig abzuflauen, doch noch immer umgab es die ganze Insel, während auf ihr selbst Ruhe herrschte. Diese Ruhe war so vollkommen, dass sich Ben inzwischen sicher fühlte, und auch die Drachen machten keine Anstalten mehr, sich irgendwo zu verstecken. Sie alle waren überzeugt, dass ihnen hier nichts geschehen würde.

    »Es gibt seltsame Orte auf der Welt«, brummte Juri, doch er fügte keine seiner ausführlichen Anekdoten an.
    »Hm«, brummte Marmaran und ließ endlich den Schiffbrüchigen los.
    »Was wollt ihr von uns?«, fragte der und musterte sie misstrauisch. Wie der Junge hatte er schwarzes Haar, nur war es kürzer geschnitten. Er war kräftiger gebaut und hatte ein kleines Bäuchlein, das von wohl zahlreichen und reichlichen Mahlzeiten zeugte. Unter der kleinen Nase trug er einen mächtigen Schnauzbart, die Koteletten waren blitzförmig rasiert und seine Augen von klarem Blau. Unruhig huschte sein Blick hin und her. Die durchnässte Kleidung schien aus edlem Stoff zu bestehen, ein Hemdärmel war eingerissen. Um den Hals trug der Mann eine schwere Goldkette, an den Fingern drei breite Ringe, die ebenfalls aus Gold waren und jeder mit einem schweren roten Stein geschmückt.
    Ben erkannte keine Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Jungen, und weil der Mann nur einen kurzen besorgten Blick zu diesem geworfen hatte, der noch immer auf dem Boden kauerte, und nicht hinübergelaufen war, vermutete er, dass sie nicht verwandt waren.
    »Was sollen wir von euch wollen?« Yanko starrte ihn an. Die Wunde auf seiner Stirn hatte inzwischen aufgehört zu bluten und Nica hatte das trockene Blut mit Spucke fortgewischt.
    »Das weiß ich nicht. Keiner von uns ist eine Jungfrau«, erwiderte der Mann.
    Der Junge warf ihm einen irritierten Blick zu, dann riss er die Augen auf und rief: »Oh, ja. Ich bin ein Mann, kein Mädchen. Keine Jungfrau. Ein Mann, jawohl!«
    Aiphyron grinste.

    Das schien den Jungen noch nervöser zu machen, er krabbelte rückwärts davon. »Ich schmecke auch gar nicht gut, bin ganz sehnig, an mir ist viel zu wenig dran, ich bin …«
    »Beruhig dich!«, sagte Ben. »Keiner will euch fressen.«
    »Und was wollt ihr dann?« Noch immer wirkte der Mann misstrauisch.
    »Nichts! Wir wollten euch retten, sonst nichts.«
    »Geflügelte Drachen als selbstlose Retter.« Seine Stimme triefte vor Spott. »Die Sagen sind voll von solch edlen Heldentaten. «
    »Ihr glaubt uns nicht? Meinetwegen könnt ihr gehen. Undankbares Pack! Geht doch, wohin ihr wollt …« Verärgert deutete Ben raus aufs Meer. »Wenn ihr meint, dass ihr allein besser zurechtkommt, bitte …«
    »He! Können wir das verschieben?«, fragte Anula. »Wollen wir nicht erst herausfinden, wer hier wohnt? Nicht dass es eine Überraschung gibt.«
    Ben blickte zu der nahen Festung hinüber. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, wie riesig sie war. Gewaltige dunkle Quader bildeten massige Mauern mit mannshohen Zinnen, die mal schnurgerade, mal rund aus dem felsigen Grund zu wachsen schienen. Die zahlreichen Türme, dick und rund, erhoben sich bestimmt sechzig oder siebzig Schritt in die Höhe, manche wohl gar hundert. Das ihnen zugewandte Tor aus schwarzem, beschlagenem Holz übertraf die Ausmaße der Stadttore von Falcenzca und Trollfurt deutlich, und in den Fenstern könnte selbst der größte Mann der Welt aufrecht stehen und die Arme recken, er würde

Weitere Kostenlose Bücher