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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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die obere Kante der Laibung dennoch nicht erreichen.
    Doch nirgendwo zeigte sich ein Anzeichen von Leben, kein Schatten bewegte sich hinter den glaslosen Fenstern,
nirgendwo hing Wäsche oder standen ein Eimer, eine Forke oder sonstige Gegenstände herum. Alles war ruhig, niemand schrie, auch kein Tier. Keine Töpfe klapperten, nichts. Die Festung schien seit Jahren verlassen, und dennoch zeigten sich keine größeren Anzeichen von Verfall.
    »Behältst du die Festung im Auge und schreist, sobald sich etwas rührt?«, bat Ben. »Das hier müssen wir auch klären.«
    »Ihr wisst nicht, was das ist?«, fragte der Mann. Sein Misstrauen schien sich zumindest ein wenig zu legen, nun schimmerte Neugier in seinen Augen.
    »Nein. Woher denn?«
    »Das ist das Verlies der Stürme. Und hier wohnt seit Jahrhunderten keiner mehr.«
    »Seit Jahrhunderten, schön. Das überprüfen wir gleich. Jetzt verratet uns erst einmal, wer ihr seid.« Ben blickte von dem Mann zum Jungen hinüber, dessen Blick noch immer ängstlich von einem Drachen zum nächsten wanderte.
    »Ich bin Finta Dogha, ein Händler aus Rhaconia. Und das ist mein Schiffsjunge Nesto. Und ihr?«
    »Reisende«, antwortete Ben knapp. Noch wollte er ihre Namen nicht preisgeben, die bestimmt noch immer auf zahlreichen Steckbriefen prangten und die beeindruckende Belohnung von tausend Gulden versprachen. »Und um Eure nächste Frage gleich zu beantworten: Nein, wir haben nichts mit Samoth zu tun, rein gar nichts. Auch sind Drachenflügel kein uralter Fluch des dunklen Gottes der Tiefe.«
    »Ganz und gar nicht«, bestärkte Juri.
    »Die Legende von Samoths Fluch irrt hier gewaltig«, sagte Ben grimmig.
    »Demnach wollt ihr sagen, ihr seid nicht seine Diener?« Zweifelnd sah der Händler sie an.

    »Nein!«
    »Und warum sollten wir das glauben?«, fragte der Junge leise.
    »Wir haben euch schließlich noch immer nicht gefressen, oder?«, knurrte Aiphyron.
    »Ihr könnt reden?«, fuhr Nesto plötzlich auf und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.
    »Ja«, brummte Aiphyron. »Natürlich. Jeder Drache mit Flügeln kann das.«
    »Bei mir hat er sich nicht gewundert«, sagte Juri. »Vielleicht liegt sein Erstaunen nicht in den Flügeln begründet, sondern in deinem Gesichtsausdruck, der manchmal, nun ja, wie soll ich das sagen, nicht allzu viel Weisheit vermuten lässt …«
    »Solche Worte von einem, der halb so groß ist wie ich, zeugen auch nicht gerade von großer Weisheit«, knurrte Aiphyron.
    »Ja, aber er hat recht«, mischte sich Feuerschuppe ein und grinste. »Wenn du den Kopf so schräg hältst und die Augen zusammenkneifst, dann erinnert das manchmal an eine käfersuchende Moorechse, die …«
    »Hallo!«, rief Nica. »Könnt ihr mal ernst bleiben?«
    Da begann Finta Dogha plötzlich zu lachen, laut und dröhnend. Er schüttelte sich richtiggehend, schlug sich mit den Händen auf die Schenkel, prustete und verschluckte sich beinahe.
    »Danke, dass ihr uns gerettet habt.« Finta Dogha lächelte nun einigermaßen beherrscht, das Misstrauen war aus seinen Zügen verschwunden. Die blauen Augen strahlten nun freundlich, fast schelmisch.
    »Jetzt glaubt Ihr uns?« Nica schüttelte den Kopf.

    »Ja. Samoth mag der Gott der Tiefe sein und hinterlistig, lügnerisch und verschlagen, aber ich glaube nicht, dass er eine solche Scharade aufführen würde, um uns etwas vorzuspielen. Warum auch? Einem Schiffsjungen und einem verschuldeten Händler, die ohnehin in seiner Hand sind.«
    »Gut erkannt«, sagte Juri.
    »Der Orden lügt, merkt es euch«, ergänzte Yanko rasch, bevor der Drache weiterreden konnte. »Ein Drache ohne Flügel ist nicht frei, sondern versklavt.«
    »Ich weiß, dass der Orden immer mal lügt.« Finta Dogha schnaubte verächtlich. »Wie gesagt, ich bin Händler in Rhaconia, einer Stadt nahe der Mündung des Dherrn. Bekannt ist sie für den großen Hafen und Schiffe, die die ganze Welt bereisen, sowie einen gemischten Fischsalat mit Seezwiebeln und scharfer blauer Soße. Und für das Kloster Sonnenflut, in dem der Orden zahlreiche junge Knappen zu Rittern ausbildet. Dort werden die vielversprechendsten Jungen des ganzen Landes unterrichtet. Und obwohl jeder in Rhaconia Handel treiben darf, reißt der Orden alle guten Geschäfte an sich oder behindert die unabhängigen Händler mit scheinheiligen Begründungen. Erst letzten Monat hat er kurzfristig wertvolle Tücher beschlagnahmt, die ich aus dem fernen Hyndagd eingeführt hatte. Als er sie zurückgab, fehlten alle

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