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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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gerettet, aber das war doch kein Grund. Er hatte sich doch nur unauffällig die Stadt ansehen wollen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.
    »Mein lieber Junge, wie können wir dir bloß danken?«, fragte Frau Dogha und hielt ihn fest im Arm, strich ihm über das kurze Haar, als wäre er ein Kind.
    Ben hasste das. Das schöne Mädchen dagegen hatte ihn längst losgelassen. Warum konnte es nicht andersherum sein?
    »Ich, also … Vielleicht ein Glas Wein?«, bat er, nur um irgendetwas zu sagen. Und wenn sie den Wein holte, müsste sie ihn loslassen, hoffte Ben. Doch sie umklammerte ihn noch fester, und eine Träne lief ihre Wange hinab. Ben spürte, wie sie zitterte, während eine Dienerin aus dem Raum stürmte, das Gewünschte zu beschaffen.
    »So bescheiden, er ist so bescheiden«, sagte Frau Dogha immer wieder. »Ein wahrer Held.«

    »Ja«, brummte Finta. »Aber jetzt lass ihn los, Frau. Du erdrückst ihn ja noch.«
    »Oh.« Tatsächlich trat sie einen Schritt zurück, dann stürmte sie wieder zu ihrem Mann und umschlang diesen. »Was für ein Glück, dass du noch lebst. Was für ein unendliches Glück.«
    »Danke«, sagte das Mädchen leise und drückte Ben einen Kuss auf die Wange.
    »Kein Ursache«, murmelte Ben und sah zu Boden. Lange konnte er ihr nicht in die hellen blauen Augen sehen.
    »Das ist meine Tochter Mircah«, stellte Finta sie vor. »Mein einziges Kind.«
    Ben nickte und reichte ihr unbeholfen die Hand, auch wenn das nach all den Umarmungen und dem Kuss seltsam wirkte.
    Dann wurde die Doppeltür an der hinteren Wand aufgestoßen und Ben in einen weiteren prächtigen Raum geleitet. Dieser wurde von einem langen Tisch dominiert, der aus dem bläulichen Holz einer Himmelsbuche gefertigt schien. Seine Oberfläche war so fein geschliffen, dass die Platte das Licht des hundertfachen Kerzenleuchters spiegelte, der von der Decke hing. Blitzblanke Weinkaraffen aus Silber und große Teller aus Glas standen auf dem Tisch, schnaufende Diener trugen eilends Platten mit Käse und kaltem Braten herbei, mit buntem Fischsalat, frischem Brot und Obst.
    Ben wurde auf einen gepolsterten Stuhl mit hoher Lehne gedrängt und sein Teller mit Essen überhäuft, der glänzende Krug mit schwerem rotem Wein gefüllt.
    Für einen hoch verschuldeten Mann lebte Finta nicht schlecht, dachte Ben, während ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Vielleicht hätte er es in Trollfurt damals auch
besser mit Schulden versuchen sollen anstatt mit dem Stehlen von Äpfeln.
    »Auf dich«, sagte Frau Dogha und hob ihren Becher, während sie Ben tief in die Augen sah.
    »Auf dich«, sagte Mircah und blickte ihm noch tiefer in die Augen.
    »Auf meinen Retter.« Finta lächelte und zwinkerte ihm zu.
    »Auf, ähm … das Glück, dem unsere Rettung zu verdanken ist. Und die Planke.« Langsam fand sich Ben in seine Rolle hinein.
    »Auf die Planke.« Frau Dogha lächelte. »Aber vielleicht hat dich doch eher ein gutes Schicksal auf unser Schiff geführt, nicht einfach Glück.«
    Sie tranken, und Ben spürte den zweiten Schluck schon im Kopf. Er fühlte sich leicht. Hungrig begann er zu essen und zu erzählen. Er bekam ganze Sätze heraus und schmückte das große Lügenmärchen von seiner Heldentat reichlich aus, die er so nicht vollbracht hatte, sondern nur mit Aiphyrons Hilfe.
    Irgendwann fiel ihm auf, dass er seinen falschen Namen vergessen hatte. Lachend trank er noch mehr Wein und phantasierte wild drauflos, als Mircah ihn nach seiner Heimat fragte. Von prächtigen Pyramiden, in denen sie dort lebten, von pyramidenförmigen Hüten und einer wohlschmeckenden Krabbenart, die ihre Scheren zum Klettern in Bäumen mit vier Stämmen und spitz zulaufender Krone benutzte, und deren Panzer ebenso pyramidenförmig war.
    »Das klingt alles wunderschön, Citho«, sagte sie, und Ben strahlte und wiederholte innerlich immer wieder den Namen.
    »Wo hast du unsere Sprache gelernt?«, fragte Mircah. »Du beherrschst sie perfekt.«

    »Äh, ja, danke.« Ben starrte sie an. Hätte Finta nicht daran denken können, als er ihm eine falsche Herkunft verpasste? »Mein Vater, also, er wollte, dass ich sie von klein auf lerne, damit ich irgendwann unsere Geschäfte im Großtirdischen Reich übernehmen könnte. Kann.«
    »Das ist ja wunderbar. Dann bleibst du länger hier?«
    »Gemach, gemach«, mischte sich Finta ein. »Lass den jungen Mann doch erst einmal in unserem Land ankommen, bevor du seine ganze Zukunft verplanst. Vielleicht schickt sein Vater ihn ja auch in die

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