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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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vergaß, und kreuzten eine breite Straße.
    Finta deutete nach links: »Dort liegt der große Tempel zu Hellwahs Ehren. Und nicht weit davon entfernt der kleinere für die anderen Götter.«
    »Und dahinter, drei Querstraßen weiter, befindet sich die Schmiede meines Vaters.« Nesto machte jedoch keinen Schritt in diese Richtung, sondern ging weiter mit ihnen.

    Die Straßen verliefen nun gerader und waren so breit, dass zwei Kutschen bequem aneinander vorbeikonnten. Das Pflaster war besser erhalten als im Hafen, doch es war viel weniger los. Grobe Flüche vernahmen sie nicht, doch dreimal drang ein Fauchen durch die Nacht, das Ben vertraut war. Drachen. Hier würden sie viel zu tun bekommen.
    Schließlich erreichten sie Fintas Palast. Im Dunkeln konnte Ben seine Größe nur erahnen, gerade einmal in zwei Fenstern brannte Licht. Wie eine Handvoll anderer Prachtbauten in der Nachbarschaft war er von einem gepflegten Garten und einer hohen Mauer umgeben. Weiter hinten auf dem Grundstück konnte Ben die Schemen weiterer Gebäude erahnen.
    Längst waren Bens Hemd, Hose und Haare getrocknet, und auch seine Begleiter wirkten nicht mehr wie frisch der See entstiegen.
    »Herr Dogha«, begrüßte ihn der große blonde Torwächter in der blauen Livree erfreut und riss das Tor auf, während der kleinere Wächter ins Haus stürzte, um die Ankunft des Hausherren zu vermelden. »Wie schön, dass Ihr zurückgekehrt seid. Doch verzeiht, es ist nichts vorbereitet, der Hafen hat uns nicht Bescheid gegeben, dass die Schiffe eingelaufen sind.«
    »Es ist kein Schiff eingelaufen«, gab Finta zurück und führte Ben und Nesto ins Haus, während der Wächter verwirrt am Tor zurückblieb.
    »Kein Schiff?«, murmelte er. »Aber wie seid Ihr dann …?«
    Im Haus blieb Ben nur wenig Zeit, den großen Empfangssaal mit dem schweren roten Teppich, dem bunt bemalten Deckenfresko und den Wandgemälden von stolzen Männern, Frauen und Schiffen zu bestaunen. Dann eilte bereits
eine schöne, blonde Frau mit vollen Lippen herbei, die ebenso groß war wie Finta. Sie trug ein Kleid aus grünem Samt und große goldene Ohrringe. Plötzlich standen überall Bedienstete im Raum, ohne dass Ben sie hatte kommen sehen, und Nesto hatte sich irgendwohin verdrückt.
    Als der Händler die schöne Frau, wahrscheinlich seine Gattin, züchtig auf die Lippen küsste, fühlte sich Ben überflüssig. Die Bediensteten blickten alle demonstrativ irgendwo anders hin, und Ben tat es ihnen gleich, musterte Teppich und Gemälde und fühlte sich beobachtet.
    Erneut flog die Tür auf, prallte gegen die holzvertäfelte Wand, und ein Mädchen in Bens Alter stürmte herein und auf ihn zu, ebenso schön wie die Händlersgattin, ebenso blond und mit ebenso vollen Lippen. Sie riss die Arme hoch, stutzte, als sie Ben sah, flog mit einem verwirrten Lächeln an ihm vorbei und fiel Finta um den Hals, dessen Frau sich vor dem Ansturm kaum in Sicherheit bringen konnte.
    Seine Tochter, dachte Ben, und in diesem Moment rief sie tatsächlich: »Vater!«
    Was für ein wunderbares Lächeln, dachte Ben weiter, während die beiden Finta abwechselnd mit Fragen bewarfen, ohne ihm Zeit für eine Antwort zu geben.
    »Halt, halt, halt!«, rief der Händler und hielt beiden den Mund zu. Dann begann er zu erzählen, dass er in einen fürchterlichen Sturm gekommen und die Schiffe mitsamt ihrer Ladung verloren seien. Alle Ausgelassenheit war dahin, seine Frau und die Tochter klagten entsetzt, wollten wissen, wie es ihm gehe und verlangten mehr zu erfahren.
    Da deutete Finta auf Ben und sagte: »Das ist Citho, der Sohn eines Handelsfreundes aus der Pyramidenstadt Entheb. Er hat uns auf dem Rückweg begleitet, und als der Sturm die
Seeschwalbe mit seiner wilden Wut zerschmetterte, packte er mich am Arm, bevor ich von den tosenden Wellen in die Tiefe gerissen wurde, und zerrte mich auf eine breite Planke, an die er sich selbst nur mit Mühe klammern konnte. Er hat mir das Leben gerettet. Mir und Nesto.«
    Die Frau und das Mädchen ließen Finta los und sprangen auf Ben zu, dankten ihm wieder und wieder, tätschelten ihn, küssten seine Hände und umhalsten ihn, während er von so viel Überschwang völlig überrumpelt dastand, rot anlief und nicht wusste, was er sagen oder tun sollte. Die Bediensteten sahen ihn nun ganz anders an, mit Hochachtung, und Ben fluchte innerlich, dass Finta ihn nicht auf diese Geschichte vorbereitet hatte. Wieso stellte er ihn als Lebensretter hin?
    Klar, Ben hatte ihm das Leben

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