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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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freundlich sie sind?«
    »Du willst mit?« Er sprach nicht aus, dass sie noch vor Kurzem zu viel Angst gehabt hatte, ins Großtirdische Reich zurückzukehren.
    »Allein hier zu warten, ist genauso schrecklich.« Sie zuckte mit den Schultern, doch in den Augen spiegelte sich Furcht. »Und wenn wir alle acht in ein kleines Dorf fliegen, ist es egal, ob sie uns wegen meiner Haut erkennen. Sie sind zu schwach, um uns festzuhalten.«
    Ben lächelte. Da hatte sie vermutlich recht.
    »Vielleicht ist das Dorf ja auch so abgelegen, dass sie gar keine Steckbriefe vom Orden bekommen.«
    »Vielleicht, ja. Ich weiß nur nicht, ob wir die Zeit dazu haben«, sagte Ben, weil er Anula einfach nur in Sicherheit wissen wollte. Hier, im Verlies der Stürme.
    »Bitte. Nur ein Dorf, das dauert höchstens ein paar Stunden. Dann lass ich dich auch nach Rhaconia.«

    »Meinetwegen.« Ben seufzte. Noch immer hatte er Angst um sie, aber wenn sie ihre überwinden konnte, dann sollte er es wohl auch schaffen. Und vielleicht hatte sie ja recht, vielleicht war es gut, die Wahrheit erst in mehreren Dörfern zu verankern, bevor sie sich dem Orden stellten. Mit den Drachen wäre es – anders als mit den falschen Bekanntmachungen – bestimmt ein Leichtes, die Leute zu überzeugen. Wenn sie dabei waren, konnte jeder sehen, wie freundlich sie waren. Sie konnten sogar ihre eigene Sicht der Dinge darlegen.
    Am Nachmittag landeten sie zu acht in der Nähe eines kleinen Dorfs, das ein gutes Stück südlich von Rhaconia lag. Sie gingen in einer großen Bucht mit hellem, leuchtendem Sandstrand zu Boden, in der drei Jungen von höchstens sieben Jahren mit toten Krabben spielten. So versunken, dass die drei umzingelt waren, bevor sie sich versahen.
    »Hallo, Jungs«, sagte Ben und lächelte. Sie alle lächelten, auch die Drachen, das hatten sie so besprochen. Freundlich, immer freundlich sein.
    Die Jungen schrien. Einer stolperte und fiel in den Sand, der zweite stürzte sich ins Meer, und einer starrte sie reglos an. Fast schien es, er stellte sich tot wie ein Insekt.
    »Hallo«, sagte Ben noch einmal und stieg von Aiphyrons Rücken. »Schöner Tag heute, oder?«
    Auch die anderen sprangen von den Drachen, Juri setzte mit ein paar Flügelschlägen dem Jungen im Meer nach und fischte ihn aus einer Welle, die ihn fortzuspülen drohte. Fast wirkte es, als könne der Junge gar nicht schwimmen. Sanft setzte Juri ihn an den Strand, der Junge keuchte und hustete und spuckte Wasser und Rotz.

    Der Junge im Sand hatte sich auf den Rücken gerollt und auf die Ellbogen gestützt, schrie noch immer und sah ängstlich nach links und rechts, konnte jedoch keinen Fluchtweg erkennen.
    Der dritte starrte sie weiter mit offenem Mund an.
    »Hallo, Jungs«, sagte nun auch Aiphyron, und jetzt waren alle still.
    Sie starrten den Drachen an, der zu ihnen sprach.
    Plötzlich fing der Erstarrte an zu schluchzen. »Bitte, tut uns nichts. Bitte.«
    »Das werden wir nicht«, versicherte Ben. »Das sind freundliche Drachen.«
    »Nein, sind sie nicht. Sie haben Flügel.«
    »Ja, aber schau mal, Juri hier hat deinen Freund vor dem Ertrinken gerettet.«
    »Aber bestimmt nur, um ihn zu fressen. Geflügelte Drachen fressen Kinder«, sagte der Junge.
    »Tun sie nicht«, sagte Ben. »Sie haben uns schließlich seit einem halben Jahr nicht gefressen.«
    »Nein, tun sie nicht«, sagte auch der Gerettete. »Sie fressen Jungfrauen. Keiner von uns ist eine Frau, und viel zu jung sind wir auch.«
    »Und warum heißen sie dann Jungfrauen?«, keifte der Erstarrte.
    »Na, weil sie jung sind, aber keine Kinder. Eigentlich ist es die Kurzform für unverheiratete Frauen. So wie die da.« Der Gerettete zeigte mit dem Finger auf Anula, während ihm das Meerwasser aus dem Haar lief. »Das da ist eine Jungfrau.«
    »Ähm, ja«, sagte Ben und sah, wie Anula zu Boden blickte, während Yanko ein albernes Kichern unterdrückte und
Nica darüber den Kopf schüttelte. »Aber die Drachen fressen auch sie nicht. Das seht ihr doch, oder?«
    »Wir fressen überhaupt keine Menschen«, fügte Aiphyron hinzu.
    Die anderen Drachen nickten heftig und lächelten ganz breit.
    »Doch«, sagte der Junge im Sand. »Mein Papa sagt, ihr fresst Menschen. Und mein Papa lügt nicht.«
    »Und warum lassen wir euch dann in Ruhe?«
    »Vielleicht seid ihr satt?«
    Aiphyron knurrte verzweifelt auf, der Junge im Sand fing wieder an zu schreien.
    »Sei liebenswürdig, Aiphyron. Liebenswürdig, bitte«, sagte Ben und wandte sich wieder an

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