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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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die Kinder. »Wenn wir euch nicht fressen, dann ist das doch ein Beweis dafür, dass wir euch nicht fressen, oder?«
    Der Erstarrte sah ihn verwirrt an. »Frisst du etwa auch Menschen?«
    »Nein! Das sage ich doch die ganze Zeit! Keiner von uns frisst Menschen!«
    »Aber die Drachen haben Flügel.« Dass er noch immer nicht gefressen worden war, schien den Jungen zwar nicht einsichtiger, doch zumindest mutiger zu machen. Seine Stimme klang nun fest.
    »Die sind zum Fliegen da! Nicht zum Fressen. Oder isst du etwa mit deinen Armen, Kleiner?« Ben merkte, wie er ungeduldig wurde.
    »Spitze Zähne haben sie aber auch«, mischte sich der Errettete ein.
    »Natürlich müssen wir etwas fressen …«, versuchte Juri zu erklären.

    »Ha!«
    »Aber keine Menschen«, knurrte er. »Keine Menschen. Verstanden?«
    »Aber ihr habt doch Flügel«, wiederholte der Erstarrte.
    »Ja, und?«
    »Damit seid ihr von Samoth verflucht. Und Samoth ist auch der Gott der Lüge. Wenn ihr also redet, lügt ihr.« Ein kurzes, triumphierendes Lächeln huschte über das Gesicht des Jungen, als sei er stolz auf seine außerordentliche Spitzfindigkeit. Dann wurde ihm wohl wieder bewusst, was er da gerade gesagt und scheinbar lückenlos bewiesen hatte, und er starrte die Drachen zitternd an.
    »Aber wir haben keine Flügel«, mischte sich nun Yanko ein, obwohl sie ausgemacht hatten, dass erst einmal Ben reden sollte.
    Nur einer, um das Vertrauen der Kinder zu gewinnen. Das war jedoch sichtlich schiefgegangen. »Also sind wir nicht verflucht.«
    Verblüfft starrte ihn der Junge an, dann schüttelte er den Kopf. »Menschen mit Flügeln gibt’s nicht. Und wenn ihr mit geflügelten Drachen unterwegs seid, seid ihr Samoth-anbeter. Die lügen.«
    »Oder ihr seid Ketzer«, ergänzte der Gerettete altklug. »Und die lügen auch.«
    »Nur Drachen ohne Flügel sprechen die Wahrheit«, bestärkte ihn sein Freund.
    »Drachen ohne Flügel sprechen überhaupt nicht!«, fuhr Ben sie an.
    »Dann lügen sie aber auch nicht«, stellte der Gerettete ganz schlicht fest.
    »Aber eure Drachen haben Flügel«, beharrte der Erstarrte.
»Und geflügelte Drachen lügen, das weiß doch jeder. Ich an eurer Stelle würde ihnen nicht trauen.«
    Verzweifelt starrte Ben die drei Rotznasen an. Wie sollte er ihnen die Wahrheit bringen, wenn sie überzeugt waren, dass er log? Sie hörten einfach nicht zu!
    »Lasst uns verschwinden«, sagte Yanko. »Das sind kleine Kinder. Im Dorf finden wir sicher einen Erwachsenen, der uns zuhört.«
    »Gut.« Ben seufzte.
    »Unser Dorf ist da hinten«, sagte der Erstarrte schnell und deutete nach Norden. Von oben hatten sie jedoch gesehen, dass es im Süden lag. Nicht vollkommen verdummt, der Kleine, dachte Ben.
    »Das war gelogen«, sagte er dennoch und lächelte ihn an. »Pass auf, dass dir keine Flügel wachsen, wenn du das öfter machst.«
    »Das kann passieren?« Entsetzt starrte der Junge ihn an. Zum ersten Mal schien er Ben zu glauben. Warum jetzt?
    »Was denkst du?«, blaffte Yanko. »Wenn das so wäre, müsste der ganze Orden der Drachenritter fliegen können.«
    »He! Ritter lügen nicht!«, schrien die drei zugleich und wurden rot vor Zorn im Gesicht. »Ich will Drachenritter werden!«
    »Dann viel Glück«, murmelte Ben bitter. Verbohrt genug waren die Kleinen ja schon.
    »Ihr bleibt hier!«, knurrte Yanko. »Wenn ihr uns folgt, fressen die Drachen euch auf!«
    »Yanko«, zischte Nica.
    »Ich wusste es!«, rief der Erstarrte, dann begann er zu zittern und rannte davon, seine Kameraden im Schlepptau.
    »Lass gut sein, Nica«, sagte Ben. »Die haben uns eh nicht
geglaubt. Und so stören sie uns wenigstens nicht, während wir mit ihren Eltern reden. Oder sonst einem Erwachsenen. Hauptsache jemand mit Verstand.«
    Sie stiegen auf die Drachen und flogen hinüber zum Fischerdorf, das sich oberhalb der nächsten Bucht erstreckte. Es handelte sich um eine Ansammlung zweier Dutzend kleiner Häuser aus hellem Stein und vielleicht halb so vielen Holzschuppen. Die meisten Dächer waren geflickt, viele Wände verwittert. Mehrere Segelboote waren an den drei langen Stegen im Hafen vertäut, weiter im Landesinneren erstreckte sich eine Handvoll Felder. Auf einer Weide grasten sieben magere Buckelkühe und eine Herde Schafe. Mitten im Dorf stand ein Hellwahtempel mit nur wenigen Säulen. Nichts an ihm war aus Marmor. Ben ließ den Blick über das Meer schweifen, nur drei oder vier Boote schaukelten weit draußen über die Wellen.
    »Nehmen wir uns den

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