Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
Keiner von ihnen beachtete Ben näher, sobald sie das feine Hemd in Fintas Farben erkannt hatten.
    Immer wieder schnappte Ben das Wort Steckbrief auf. Gut, ihre Taten waren also bemerkt worden.
    Die Sechsereinheiten Knappen marschierten auch heute durch die Straßen, doch sie stapften noch verbissener im Gleichschritt als am Vortag. Sie stierten derart entschlossen ins Nichts, als würden sie in den Krieg ziehen und nicht einfach nur üben.
    Über kleinere Umwege schlenderte Ben zu Fintas Heim. Dabei passierte er verschiedene Stellen, an denen sie ihre Pergamente aufgehängt hatten. Nicht eines war mehr an seinem Platz, alle waren abgerissen und wieder durch die des Ordens ersetzt worden. Teils altvertraute, teils auch neue. Eine große Zahl von neuen, und diese verkündeten alle dasselbe:
    GOTTESLÄSTERER GESUCHT
    Lebend
1.000 Gulden Belohnung
    Eine unbekannte Anzahl unbekannter Gotteslästerer
hat Pergamente mit verbrecherischen Lügen
und gefälschte Steckbriefe in Rhaconia aufgehängt.
Vermutlich Samothanbeter!
Respektlos gegenüber Hellwah, König und dem
Orden der Drachenritter. Des Siegelmissbrauchs und
Diebstahls schuldig.

    Ihre Äußerungen sind bei schärfster Strafandrohung
zu ignorieren!
Hinweise auf ihre Identität nimmt jeder Ritter
und Vertreter der Stadt entgegen. Die Belohnung wird
bei Ergreifen ausgezahlt .
    Gotteslästerer also, dachte Ben. Dann waren sie jetzt also auch noch Gotteslästerer, obwohl sie nur den Orden der Lüge bezichtigt und Steckbriefe auf Abt und Ritter ausgestellt hatten, nicht auf Hellwah. Ein ziemlich anmaßendes Urteil des Ordens, der sich damit quasi göttlich machte, aber Ben hatte nichts anderes erwartet.
    Tausend Gulden, dachte er noch, erstaunt, wie sehr den Orden ihr nächtlicher Scherz getroffen hatte. Das war so viel, wie auf sie wegen angeblichen Mordes ausgesetzt gewesen war. Das hieß, der Orden fürchtete die Wahrheit wirklich. Oder lächerlich gemacht zu werden. Der ganze Steckbrief wirkte schnell zusammengeschustert und hilflos, nicht sehr durchdacht. Wie sollte fortan ein einfacher Bürger überhaupt einen Steckbrief ernst nehmen, wenn ihm mit Strafe gedroht wurde, aber nicht mitgeteilt, wie er echte und falsche unterscheiden konnte?
    Ben lächelte. Er spürte nicht die kalte Angst wie damals, als er den ersten Steckbrief mit ihren Namen entdeckt hatte. Im Unterschied zu damals hatten sie es diesmal ja darauf angelegt, und der Orden hatte auch keine Beschreibung von ihnen. Niemand konnte sie aufgrund dieses Steckbriefs identifizieren. Ben spürte nur Stolz und die Hoffnung, dass sie tatsächlich etwas erreichen konnten.

    Ein Vater im edlen grünen Wams packte seinen wohl bereits erwachsenen Sohn grob am Ohr, zerrte ihn davon und zischte: »Warst du das?«
    »Nein!«, flehte dieser.
    »Und wo warst du gestern Nacht?«, knurrte er. »Ich hab deine ständige Aufmüpfigkeit so satt!«
    »Aber …«
    »Wenn du jetzt nicht spurst, dann …«
    »Aber ich war’s nicht!«
    »Dann melde ich dich trotzdem! Wo warst du?«
    »Bei Turde. Ich war bei Turde!«
    »Was?« Der Vater ließ das Ohr los und schlug dem Jüngeren mit Wucht gegen den Hinterkopf. »Heim! Sofort! Ich hab dir hundertmal gesagt, dass sie unter deiner Würde ist! Ein viel zu billiges Mädchen. Halt dich an Gerlina!«
    »Aber Turde ist schöner«, sagte der Sohn und gab Fersengeld. Vielleicht war er doch noch nicht völlig erwachsen. Der schwere Stiefel des Vaters schwang ins Leere, als er nach seinem Hintern trat.
    »Komm du nur nach Hause!«, brüllte der Vater und ging grummelnd seiner Wege.
    Kopfschüttelnd schlenderte Ben weiter. Hatte der Mann eben nur versucht, die Wahrheit aus seinem Sohn herauszuholen? Oder hatte er tatsächlich vermutet, sein Sohn könnte das gewesen sein? Dann sollte Ben mal mit dem Sohn reden und vorfühlen, was dieser so von dem Orden hielt. Doch so sehr er den Kopf reckte, der Geflüchtete war nicht mehr zu sehen.
    »Wie geht’s den anderen, Citho?«, fragte Finta Dogha munter und goss tiefroten Wein in die zwei schweren Silberkelche
auf dem goldbeschlagenen Tischchen zwischen den beiden Sesseln aus purpurnem Leder. Obwohl sie allein waren, benutzte er den falschen Namen, sei es, um sich daran zu gewöhnen, oder für den Fall, dass sie belauscht würden.
    »Gut«, antwortete Ben und schlug die Beine übereinander. Noch nie in seinem Leben hatte er so edel und bequem gesessen.
    Nach einer herzlichen Begrüßung und dem mehrgängigen Abendessen hatten sie sich in das

Weitere Kostenlose Bücher