Das Verlies
klar, du kommst doch mit der Tischler gut aus. Erklär ihr aber bitte genau, welchen Verdacht wir haben.« Und zu Bock: »Können Sie feststellen, ob Becker und die Lura schon tot waren, als das Auto in Brand gesteckt wurde?«
»Kommt drauf an. Aber ganz ehrlich, wie soll ein Toter ein Auto anzünden?«, fragte er lachend. »Der Geist aus dem Jenseits?«
»Professor«, erwiderte Durant ernst, »das will ich Ihnen ja erklären. Es gibt für mich etliche Ungereimtheiten in dem Fall, und ich will sichergehen, dass alles seine Richtigkeit hat. Und dazu brauche ich Ihre fachmännische Hilfe.«
»Und wie soll die genau aussehen?«
»Lassen Sie mich erst eine andere Frage stellen. Wie verbrannt waren die Leichen?«
Bock verzog den Mund und antwortete knapp: »Ziemlich verbrannt, um nicht zu sagen verkohlt.« Er machte eine kurze Pause, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und erklärte dann: »Zwischen Verbrennen und Verkohlen ist nämlich ein riesengroßer Unterschied. Verbrennungen hätten natürlich ausgereicht, um sie zu töten, sie wären sogar ganz sicher daran gestorben, aber eine verkohlte Leiche findet man häufig nach schweren Wohnungsbränden mit extremer Hitzeentwicklung, wenn sich jemand mit Benzin übergießt und bei lebendigem Leib verbrennt, ohne dass sofort Hilfe geleistet wird, nach Flugzeugabstürzen, wenn die Maschine explodiert, und so weiter. Wenn im vorliegenden Fall jemand sofort mit einem großen Feuerlöscher zur Stelle gewesen wäre … Doch worauf wollen Sie hinaus?«
Hellmer kam zurück und sagte: »Die Staatsanwältin gibt ihr Okay, sie schickt gleich ein entsprechendes Fax.« Er setzte sich wieder.
Durant antwortete auf Bocks Frage mit einer Gegenfrage. »Sind die inneren Organe noch unbeschädigt?«
»Davon gehe ich aus.«
»Angenommen, wirklich nur angenommen, Becker und die Lura waren schon länger tot, bevor das Auto in Flammen aufging, was könnte man an den inneren Organen und im Blut nachweisen?«
»Es dürfen sich zum Beispiel keine Rußpartikel in den Atemwegen, also Bronchien und Lungen finden. Außerdem darf das Blut keinen erhöhten CO 2 -Wert aufweisen.«
»Ist es Ihnen möglich, den Todeszeitpunkt auf, sagen wir, eine halbe Stunde einzugrenzen?«
»Ich kann es versuchen, versprechen kann ich es nicht. Ich werde jedoch mein Bestes geben.«
»Können Sie feststellen, ob die Kopfschüsse vor dem Brand erfolgten?«
»Auch das dürfte nicht allzu schwer nachzuweisen sein. Sollten die beiden eine halbe Stunde oder länger vor dem Brand erschossen worden sein, so müsste sich bereits zu diesem Zeitpunkt eine Blutverkrustung um die Einschussstelle und auch im Kopfinneren gebildet haben …«
»Das haben Sie aber gestern nicht untersucht?«
»Nein, dazu bestand ja auch kein Anlass.«
»Aber Sie können es noch tun, richtig?«
»Wie gesagt, ich werde mein Bestes geben. Wir werden den Mageninhalt, die Leber, die Lungen, die Nieren und das Blut untersuchen. Ich werde aber in diesem Fall Morbs mit einbeziehen, wie das bei staatsanwaltschaftlich angeordneter Leichenschau so üblich ist. Und jetzt rücken Sie schon raus mit der Sprache, warum dieser Aufwand?«
»Es könnte sein, dass sich alles ganz anders abgespielt hat, wie es auf den ersten Blick aussieht. Sagen Sie, haben Sie schon einmal einen Fall gehabt, wo sich jemand selbst mit zwei Kugeln verletzt hat, um ein Verbrechen zu vertuschen?«
Bock überlegte einen Moment und antwortete dann mit einem Lächeln: »Frau Durant, es gibt hunderte, wenn nicht gar tausende von Fällen, wo Menschen einen Mord wie Selbstmord aussehen ließen, wobei sie nicht davor zurückgeschreckt sind, sich selbst Verletzungen beizubringen, um so die Spur zu einem fiktiven Täter zu legen. In Deutschland selbst ist mir nur ein Fall bekannt, der allerdings bis jetzt nicht gelöst wurde, weildie Indizienkette nicht geschlossen werden konnte. Das war vor ein paar Jahren in Köln. Da hat sich jemand ein Messer in den Bauch gerammt und behauptet auch heute noch, er sei angegriffen worden und hätte sich verteidigen müssen. Im Nebenzimmer lag ein anderer Mann, der tot war. Alles sah aus wie Notwehr, und bis heute konnte nicht nachgewiesen werden, ob die Tat sich tatsächlich so abgespielt hat. Aber ein Kollege von mir hat noch immer Zweifel. Er hat sogar ein Gutachten verfasst, in dem er dargelegt hat, dass der Stichkanal eine Besonderheit aufweist, die darauf schließen lässt, dass der Betreffende sich die Wunde selbst beigebracht hat. Ich
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