Das Verlies
geliebt, ich habe sie mehr geliebt als mein eigenes verdammtes Leben. Ich hätte alles für sie getan, aber offenbar war ihr das nicht gut genug. Was hab ich bloß falsch gemacht? Weißt du das?«
»Was weiß ich, was in eurer Ehe war. Gabi hat ja nie mit mir darüber gesprochen«, log Wolfram und zuckte mit den Schultern.
»Sie hat dir gegenüber auch nie eine Andeutung gemacht, dass sie eine Affäre hat?«
»Mann, was denkst du eigentlich? Ich wäre so ziemlich der Letzte gewesen, dem sie davon erzählt hätte. Wir hatten doch kaum Kontakt. Ihr habt euer Leben gelebt, ich meins.«
»Komm, gib mir deine Hand«, sagte Rolf Lura und streckte seine aus. »Ich verspreche, dass sich das mit dem heutigen Tag ändert. Und tu mir einen Gefallen, glaub nicht alles, was man über mich sagt. Gabi hat so viele Lügen über mich verbreitet, vor allem Markus gegenüber. Doch nichts davon ist wahr. Der Junge muss wer weiß was von mir denken, aber ich habe Gabi nie schlecht behandelt. Natürlich haben wir auch mal gestritten, doch es hat sich immer im Rahmen gehalten. Sie war einfach eine perfekte Schauspielerin. Und dann auch noch das mit meinem besten Freund! Hätte ich das früher rausgekriegt, ich hätte ihn umgebracht. Bei Gott, das hätte ich. Ich bin kein perfekter Mensch, aber ich bin auch kein Monster oder eine Bestie. Oder glaubst du, dass ich ein Monster bin?«
»Quatsch doch nicht so einen Blödsinn! Ich habe dich nie für ein Monster gehalten«, log Wolfram Lura erneut und sah seinem Bruder direkt in die Augen, »ich habe mich nur oft gefragt, warumwir nicht wie ganz normale Brüder miteinander umgehen können. Das hat mich schon ein bisschen enttäuscht.«
»Deswegen bitte ich dich ja um Verzeihung. Komm morgen Nachmittag zu mir und bring deine Andrea mit. Ich möchte gerne die Frau kennen lernen, mit der mein Bruder jetzt zusammen ist. Und mal sehen, vielleicht ist mir ja bis dahin schon was eingefallen, womit ich dir helfen könnte, wenigstens beruflich wieder auf die Beine zu kommen.«
»Einverstanden. Soll ich Markus noch ein paar Tage bei mir behalten?«
»Bring ihn morgen mit, es ist besser, wenn er wieder in seiner gewohnten Umgebung ist. Oder nein, ich werde ihn am besten in einem Internat anmelden, damit er nicht andauernd hier an seine Mutter erinnert wird. Was hältst du davon?«
»Keine Ahnung, es ist deine Entscheidung.«
»Wo würdest du dich in seiner Situation wohler fühlen, zu Hause oder in einer völlig neuen Umgebung?«
»Ich denke, ich würde raus wollen. Frag ihn doch selbst, er ist alt genug, um diese Entscheidung mitzutreffen.«
»Das werde ich machen. Ich freu mich riesig, dass du gekommen bist. Ich hätte alles erwartet, aber nicht deinen Besuch. Mein Gott, was war ich bloß für ein Idiot!«
»Ich war auch einer. So, ich muss los. Andrea wartet darauf, dass ich sie ablöse. Sie ist nämlich extra zu Hause geblieben, um sich um Markus zu kümmern. Ich wollte ihn nicht mit herbringen, das hätte ihm nur noch mehr Angst gemacht. Ich meine diese ganze Krankenhausumgebung«, fügte er schnell hinzu.
»Das ist gut so. Und wir sehen uns dann morgen. Und nochmals danke für alles.«
»Hm, bis morgen, und halt die Ohren steif«, sagte Wolfram Lura und stellte den Stuhl wieder an die Wand. »Ciao, Bruderherz.«
»Ciao.«
Rolf Lura sah seinem Bruder nach, bis dieser die Tür hintersich geschlossen hatte. Ein maliziöses Lächeln umspielte seine Lippen. Er nahm die Flasche Wasser vom Boden, trank einen Schluck, wischte sich mit dem Handrücken den Mund trocken und sagte leise: »Idiot, kleiner gottverdammter Idiot!« Dann griff er zum Telefon, das neben seinem Bett stand, und tippte die Nummer seiner Eltern ein.
Wolfram Lura ging zum Aufzug, wartete eine Weile, bis er schließlich kam, und dachte: Du verdammtes Arschloch, wenn du meinst, du kannst mich mit deiner Ich-bin-ein-reuiger-Sünder-Tour einwickeln, hast du dich geschnitten. Aber ich werde morgen kommen, und ich werde dein verdammtes Spiel mitspielen. Doch diesmal werde ich gewinnen, großer Bruder.
Freitag, 11.10 Uhr
Bei Corinna Becker. Als Durant und Hellmer klingelten, wurde ihnen sofort die Tür geöffnet. Corinna Becker stand vor ihnen, das Gesicht unnatürlich blass. Sie hatte tiefe Ränder unter den matten Augen, war ungeschminkt, und ihre Schultern hingen leicht nach vorn. Sie versuchte zu lächeln, als sie die Beamten ins Haus bat, doch dieses Lächeln misslang gründlich, es machte ihr Gesicht noch
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