Das Verlies
trinken?«
»Wenn du einen Whiskey oder irgendwas anderes in der Richtung hättest …«
»Hab ich. Du auch, Andrea?«
»Ausnahmsweise.« Sie setzte sich in einen der beiden gelben Stoffsessel, während Horst Lura auf dem Sofa Platz nahm.
Wolfram holte drei Gläser und die Flasche Whiskey aus dem Schrank und schenkte ein. »Pur oder mit Eis?«
»Pur. Und lass die Flasche gleich stehen«, antwortete sein Vater mit schwerer Stimme, als würde ihn etwas bedrücken.
»Cheers.« Wolfram hob sein Glas und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter, behielt das Glas aber in der Hand.
»Ich wollte eigentlich mit dir unter vier Augen sprechen«, sagte Horst Lura, nachdem auch er sein Glas geleert hatte.
»Schon gut, ich lass euch allein.« Andrea hatte sich bereits erhoben, doch Wolfram hielt sie zurück.
»Papa, ich habe keine Geheimnisse vor Andrea. Sie gehört zu mir und kann ruhig alles wissen.«
»Na gut, wenn du meinst. Es war auch nicht gegen Sie persönlich gerichtet«, versuchte er sich gegenüber der jungen Frau zu rechtfertigen. »Ich möchte nur, dass alles, was wir jetzt hier besprechen, auch wirklich unter uns bleibt.«
»Hab ich jemals etwas weitererzählt?« Wolfram schlug die Beine übereinander und sah seinen Vater auffordernd an.
»Entschuldigung, ich weiß, ich kann mich auf dich verlassen.Ich bin wegen deinem Bruder gekommen. Ich kann und will nicht glauben, dass Gabriele ihn umbringen wollte, dazu habe ich sie zu gut gekannt. Aber ich will auch nicht glauben, dass er einen Plan geschmiedet hat, der so niederträchtig und böse ist… Und trotzdem fürchte ich, dass meine schlimmsten Vermutungen Gewissheit werden könnten.«
»Was für Vermutungen?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Sag du’s, vielleicht denken wir das Gleiche.«
»Er hat sich so verdammt merkwürdig benommen, als deine Mutter und ich gestern bei ihm im Krankenhaus waren. Aber frag mich jetzt bloß nicht nach Einzelheiten. Es ist einfach ein Gesamteindruck. Weißt du, ich habe fast vierzig Jahre lang Autos verkauft, ich habe mit fünfzehn bei meinem Vater angefangen, und da lernt man die Menschen kennen. Als ich das Geschäft damals auf Druck deiner Mutter an Rolf übergeben habe, da hatte ich ein ungutes Gefühl. Ich wusste von vornherein, er würde nichts so belassen, wie es war, weil er das, was ich gemacht habe, spießig fand, und ich habe Recht behalten …«
»Aber er ist doch ein großartiger Geschäftsmann«, warf Wolfram ein.
»Sicher, aber er hat mir versprochen, es in meinem Sinne weiterzuführen. Und das hat er nicht getan, wie ich es vermutet hatte. Gut, der Name Lura ist jetzt in aller Munde, vor allem bei diesen blasierten Stinkreichen, doch ich wollte … Ach, das tut auch gar nichts zur Sache. Wolfram, wir haben uns oft über Rolf unterhalten, und wir wissen beide über seine Hinterhältigkeit Bescheid. Er hat vorhin bei deiner Mutter angerufen, nachdem du bei ihm gewesen bist, ich hab das Gespräch zufällig mitbekommen. Er will, dass Markus vorerst zu uns kommt, und deine Mutter will das natürlich auch, wie du dir unschwer denken kannst, denn damit hätte sie endlich wieder jemanden, dem sie ihre Lebensweisheiten unterjubeln könnte. Er würde ihn immeram Wochenende abholen. Aber du weißt auch, was das für den Jungen bedeutet.«
»Natürlich. Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb du hier bist, oder?«, sagte Wolfram misstrauisch.
»Um es kurz zu machen, ich habe Angst, dass Rolf ein Mörder sein könnte. Ich habe verdammte Angst, dass mein Sohn ein Mörder sein könnte. Und das bringt mich fast um den Verstand.«
»Wie kommst du auf einmal darauf?«, fragte Wolfram mit belegter Stimme.
»Also gut, ich bin überzeugt, dass Rolf seine Entführung nur vorgetäuscht hat. Er ist perfide und durchtrieben, so war er schon als Kind, und er hat sich keinen Deut gebessert. Und deshalb bin ich auch zu dem Schluss gekommen, dass er Gabi und Becker auf dem Gewissen hat.«
»Wieso …?«
»Lass mich bitte ausreden … Weil ich es ihm einfach zutrauen würde! Sein ganzes Verhalten in den letzten fünfundvierzig Jahren spricht dafür«, stieß Horst Lura bitter aus. »Und deine Mutter ist wahrhaftig nicht unschuldig daran.«
»Gibt es da etwas, was ich noch nicht weiß?«
»Du weißt eine Menge nicht, Junge. Aber diese Einzelheiten will ich dir ersparen, du würdest nur den Kopf schütteln und mich auslachen.«
»Warum sollte ich das tun? Aber du musst nicht darüber reden, wenn du nicht
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