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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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würde doch glatt denken, der Lura verliert seine Frau, und kaum ist er aus dem Krankenhaus raus, schon geht er mit einer hübschen jungen Dame essen. Aber keine Angst, ich habe keine Hintergedanken.«
    »Ach wo, mit wem hätte ich denn sprechen sollen? Keine Sorge, das bleibt unter uns.«
    Als Lura an der Zoopassage ankam, stutzte er und meinte: »Komisch, ich war noch vor kurzem hier essen. Der hat doch wohl nicht etwa Pleite gemacht? Allerdings würde mich das bei der derzeitigen Konjunktur nicht wundern. Aber ich kenne noch einen Ungarn, und der existiert garantiert noch, denn den gibt’sschon seit dreißig oder vierzig Jahren. Oder wollen Sie lieber wieder nach Hause?«
    »Nein, ich richte mich ganz nach Ihnen, Herr Lura.«
    »Frau Preusse, einige meiner langjährigen Angestellten nennen mich Rolf, und ich würde mich sehr freuen, wenn wir einfach zum Du übergehen würden. Ich biete es längst nicht jedem an, aber bei Ihnen möchte ich doch gerne eine Ausnahme machen, obwohl wir uns erst seit gut neun Monaten kennen.«
    Mandy Preusse lächelte noch verlegener als eben schon, Zum Glück ist es dunkel, und er sieht nicht, wie ich schon wieder rot werde, dachte sie. »Wenn Sie möchten. Ich heiße Mandy.«
    »Ein schöner Name.«
    »Wie man’s nimmt. Bei uns drüben heißt fast jede zweite in meinem Alter Mandy. Keine Ahnung, was unsere Eltern sich dabei gedacht haben, aber wahrscheinlich wollte man damit irgendeinen Protest ausdrücken, indem man den Mädchen englische Namen verpasste. Ich mag den Namen nicht.«
    »Ich schon. Er hört sich so weich an, vor allem, wenn Sie ihn aussprechen, Entschuldigung, wenn du ihn aussprichst. Es gibt übrigens ein wunderschönes Lied von Barry Manilow, in dem er seine Mandy besingt.«
    »Ich kann mich erinnern, dass meine Eltern das hoch und runter gespielt haben«, sagte sie lachend.
    »Und, gefällt es dir?«
    »Ganz nett, aber eigentlich stehe ich mehr auf andere Musik.«
    »Und welche, wenn ich fragen darf?«
    »Ich glaube, das gefällt Ihnen nicht«, antwortete sie.
    »Wem gefällt das nicht?«, fragte er grinsend.
    Sie errötete erneut und entschuldigte sich: »Ich muss mich erst an das Du gewöhnen. Wird schon noch.«
    »Woher willst du wissen, was mir gefällt und was nicht? Ich bin nicht von gestern, ganz im Gegenteil. Ich steh zum Beispiel auf AC/DC oder Deep Purple. Eigentlich mag ich alles, was gutist, von der Klassik bis zu Heavy Metal. Nur mit Techno kann ich nicht so richtig was anfangen.«
    »Ich auch nicht. Ich mag Gruppen wie die Cardigans oder Oasis, oder Natalie Imbruglia und so was. Grönemeyer und Westernhagen find ich auch ganz gut, vor allem das Lied ›Mensch‹. Ist echt toll. Ich habe Verwandte, die bei der Elbeflut alles verloren haben, und immer, wenn ich das Lied höre, muss ich heulen.«
    »Das Lied ist auch schön. Wo wohnen denn deine Verwandten?«, fragte er und musste husten. Seine linke Brust schmerzte noch immer.
    »In einem kleinen Nest in der Nähe von Pirna. Denen ist das ganze Haus weggespült worden.«
    »Ja, eine Katastrophe. Aber es war abzusehen, dass es eines Tages so weit kommen würde, so wie wir mit der Natur umgehen. Und die Leidtragenden sind wie immer die, die sowieso kaum was oder gar nichts haben.«
    »Die kommen schon wieder auf die Beine, weil jeder jedem hilft«, sagte Mandy Preusse. Und nach einer Weile: »Wo fahren wir jetzt hin?«
    »Lass dich einfach überraschen. Ich möchte, dass du diesen Abend nie vergisst. Szegediner Gulasch, Tokajer und Zigeunermusik. Ich liebe Ungarn und diese fröhliche Mentalität.«
    Um halb zehn passierte Lura die Stadtgrenze von Frankfurt und fuhr auf einen hell erleuchteten Parkplatz neben dem ungarischen Restaurant. Er holte eine getönte Hornbrille und eine dunkle Perücke aus dem Handschuhfach und setzte beides auf.
    »Ich will nicht, dass mich jeder gleich erkennt, schließlich war mein Bild in allen Zeitungen. Jetzt sehe ich irgendwie aus wie Heino«, sagte er lachend.
    »Nein, so schlimm nun auch wieder nicht, aber du bist nicht mehr wiederzuerkennen.«
    »Gehen wir essen und trinken, ich brauche das nach den letzten schrecklichen Tagen.«
    Das Restaurant war zur Hälfte besetzt, die Gäste aßen und tranken und unterhielten sich. Es herrschte eine angenehme, ruhige Atmosphäre.
    »Wir nehmen den dort hinten«, sagte Lura und deutete auf einen Tisch an der Wand. »Dort sind wir einigermaßen ungestört. Gib mir deine Jacke, ich häng sie mit meinem Mantel an die Garderobe.«
    Der

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