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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Kellner kam mit zwei Karten, Lura bestellte gleich eine Flasche Tokajer. Nachdem der Kellner sich entfernt hatte, sagte Lura: »Ich habe einfach nur Appetit auf Szegediner Gulasch. Und wie sieht es bei dir aus?«
    »Ich hab’s noch nie gegessen. Also gut, für mich auch.«
    Der Kellner kehrte zurück, schenkte ein, Lura gab die Bestellung auf.
    »Tja, jetzt sitzen wir hier, und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Die letzten Tage waren die reinste Hölle für mich. Ich wundere mich, dass ich das alles überlebt habe. Und ausgerechnet meine eigene Frau wollte mich umbringen. Kannst du das verstehen?«, fragte er und wurde erneut von einem Hustenanfall durchgeschüttelt. »Entschuldigung, aber das sind noch die Nachwirkungen von dem Steckschuss. Es ist jedes Mal ein ekelhafter Schmerz beim Husten.«
    »Ich kann nur versuchen mir vorzustellen, wie du dich fühlst«, erwiderte Mandy Preusse und drehte ihr Glas zwischen den Fingern. »Als ich gehört habe, was passiert ist, habe ich gedacht, das kann doch gar nicht wahr sein. Ausgerechnet der Herr Lura. Und die Frau Walter war völlig durcheinander. Die ist wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Firma gerannt. Und als wir heute Morgen erfahren haben, dass du lebst, da ist uns allen natürlich ein Stein vom Herzen gefallen. Aber das mit deiner Frau ist ganz schön blöd.«
    »Das ist wohl nicht der passende Ausdruck. Dabei habe ich sie mehr als mein eigenes Leben geliebt. Ich war so blind, dass ich nicht gemerkt habe, was sich hinter ihrer schönen Maske für Abgründeaufgetan haben. Ich glaube, ich werde das nie begreifen. Meine Frau und mein bester Freund! Wie können Menschen zu so etwas fähig sein? Ich habe mir die ganze Zeit über den Kopf darüber zerbrochen, aber glaub bloß nicht, dass ich eine Antwort gefunden habe. Das Leben ist manchmal schon seltsam … Doch reden wir nicht von mir, ich muss das alles erst allmählich verdauen. Was ist mit dir? Hast du manchmal Heimweh nach Chemnitz?«
    Mandy Preusse zuckte mit den Schultern und antwortete: »Manchmal schon, aber was soll ich da? Mein Vater hängt an der Flasche, meine Mutter ist schon vor Jahren mit irgendeinem Typ durchgebrannt, und keiner weiß, wo sie sich aufhält. Ich hab keine Geschwister und auch sonst keine Verwandten, nur ein paar alte Freunde und Bekannte. Außerdem gibt’s dort drüben kaum Arbeit. Es ist schon ganz gut, dass ich hier bin.«
    »Das hört sich aber nicht sehr glücklich an«, sagte Lura und trank einen Schluck von seinem Wein. »Hast du denn hier wenigstens schon Anschluss gefunden?«
    »Das ist gar nicht so einfach. Frankfurt ist eine kalte Stadt und … Ach was, ich komm gut zurecht.«
    »Und was machst du in deiner Freizeit?«
    »Malen, Gedichte schreiben, fernsehen oder auch mal mit Freunden in Chemnitz telefonieren. Ziemlich langweilig, was?«
    »Ganz und gar nicht. Was malst du denn?«
    »Alles Mögliche«, antwortete sie mit einem Lächeln, »hauptsächlich Akte. Ich habe vier Semester Kunst studiert, bis ich gemerkt habe, dass damit kein Geld zu verdienen ist. Also habe ich eine Ausbildung als Buchhalterin gemacht.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so eine kreative Ader hast. Hast du nicht manchmal den Wunsch, diesem ganzen kreativen Potenzial in dir nachzugeben? Wenn man so was unterdrückt, geht man über kurz oder lang daran kaputt, hab ich zumindest mal gehört.«
    »Ich würde es ja auch gerne machen, aber wie soll ich das anstellen? Es gibt tausende von Malern und Schriftstellern, von denenman nie etwas hört. Ich zähle eben auch dazu. Außerdem gefällt es mir in der Firma. Mit Frau Klein komme ich gut aus, sie ist wirklich nett und hat mir von Anfang an geholfen, wenn ich etwas unsicher war …«
    »Dafür machst du aber deinen Job jetzt umso besser. Ganz ehrlich, ich würde dich nur sehr ungern verlieren. Was verdienst du im Moment?«
    »Zweitausendvierhundert.«
    »Und was bleibt netto übrig?«
    »Knapp sechzehnhundert.«
    »Und was zahlst du für die Wohnung?«
    »Siebenhundertfünfzig warm.«
    Lura überlegte, fuhr sich mit einer Hand übers Kinn und meinte: »Das Leben ist verdammt teuer geworden. Pass auf, du bekommst spätestens am Mittwoch einen Wagen, sagen wir einen Corsa oder Polo, natürlich neu. Steuern brauchst du ja die ersten drei Jahre nicht zu bezahlen, Versicherung und Benzin gehen aufs Haus. Aber damit die andern das nicht mitkriegen, bekommst du ab sofort eine Gehaltserhöhung von fünfhundert Euro, womit du ganz leicht den Unterhalt für

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