Das Verlies
Bruder erinnern. Und dann bin ich gespannt, was er zu sagen hat. Vielleicht können Sie es mir bei Gelegenheit ja mal erzählen.«
»Mach ich. Und es ist gut, dass Sie es sich doch noch anders überlegt haben. Vorgestern habe ich schon an meinem Verstand gezweifelt. Überlassen Sie einfach alles uns. Wie geht es Markus?«
»Ein bisschen besser. Wir waren gestern bei meinem Bruder, danach war er etwas verstört, aber inzwischen geht’s schon wieder.«
»Und wie war’s bei Ihrem Bruder?«
»Nicht der Rede wert. Ich will mit ihm auch weiterhin so wenigwie möglich zu tun haben. Andrea mag ihn übrigens auch nicht, und sie besitzt eine verdammt gute Menschenkenntnis.«
»Gut, ich werde gleich meine Kollegen informieren und sie bitten, diesen Dr. Hahn ausfindig zu machen. War er praktischer Arzt?«
»Ich nehme es an.«
»Das finden wir auch noch raus. Danke und machen Sie’s gut. Sie hören von mir.«
Ihr nächster Weg führte sie ins Präsidium zum KDD. Sie bat die diensthabenden Kollegen, die Telefonnummer und Adresse von Dr. Hahn herauszusuchen und sie sofort zu informieren, wenn sie sie hätten.
»Warten Sie doch, das haben wir gleich«, sagte einer der Beamten und rief bei der Auskunft an. Dr. Hahn hatte, wie der Kollege vermutete, eine nicht eingetragene Nummer. Nur zwei Minuten später reichte er Durant einen Zettel mit den benötigten Informationen. Dr. Hahn wohnte noch immer in Oberursel. Sie ging mit dem Zettel in ihr Büro und wählte die angegebene Nummer. Sie wollte nach dem zehnten Läuten wieder auflegen, als am andern Ende abgenommen wurde.
»Ja, bitte?«
»Dr. Hahn?«, fragte Durant.
»Ja.«
»Hier Durant von der Kriminalpolizei in Frankfurt. Ich müsste dringend mit Ihnen sprechen. Hätten Sie etwas dagegen, wenn mein Kollege und ich heute Nachmittag bei Ihnen vorbeischauen würden? So gegen fünfzehn Uhr?«
»Um was geht es denn?«
»Um einen ehemaligen Patienten von Ihnen, der unter Mordverdacht steht. Mehr möchte ich dazu jetzt am Telefon nicht sagen.«
»Wenn ich Ihnen helfen kann, ich bin zu Hause. Wenn Sie klingeln, müssen Sie sich nur ein wenig gedulden, ich bin nicht mehr so gut zu Fuß.«
»Ja, natürlich. Vielen Dank und bis nachher.«
»Auf Wiederhören.«
Sie warf einen Blick auf die Uhr, zehn nach zwölf. Sie musste sich beeilen, wollte sie rechtzeitig zum Essen bei Hellmers sein. Es goss noch immer in Strömen, ihre Haare klebten an ihrem Kopf, Jacke und Hose waren klatschnass, als sie in ihren Wagen stieg. Julia, das ist ein guter Tag, dachte sie und drehte die Musik auf volle Lautstärke. Sie sang zwei Lieder mit, obwohl sie den Text nicht verstand, aber im Auto hörte sie ja keiner. Sie brauchte nur eine Viertelstunde vom Präsidium bis nach Hattersheim. Es ist eben Sonntag, dachte sie, und bei dem Scheißwetter verkriechen sich alle in ihren Wohnungen.
Sonntag, 12.30 Uhr
Pünktlich wie die Maurer«, sagte Hellmer und fügte sofort hinzu: »Was hast du bei Lura gemacht?«
»Erzähl ich gleich. Kann ich mich erst mal ein bisschen frisch machen? In den nassen Klamotten kann ich nicht länger rumlaufen.«
»Willst du duschen?«, fragte Nadine. »Wir warten dann so lange mit dem Essen.«
»Das wär ganz toll. Ich beeil mich auch. Und wenn du was für mich zum Anziehen hättest …«
»Bademantel hängt an der Tür, und wenn du fertig bist, holst du dir einfach was aus meinem Schrank raus. Wir haben ja zum Glück dieselbe Größe.«
»Du bist ein Schatz. Bis gleich.«
Innerhalb von zehn Minuten hatte sie geduscht, sich die Haare gewaschen und gefönt und sich Unterwäsche, ein Sweatshirt und eine Jeans von Nadine angezogen.
»Jetzt fühl ich mich gleich viel besser«, sagte sie und setzte sich an den Tisch. »Was für ein Vormittag.«
»Jeder nimmt sich am besten selbst«, sagte Nadine, nur Stephanie hatte bereits eine halbe Roulade, zwei halbe Kartoffeln und etwas Rotkraut auf dem Teller und war schon am Essen.
Nachdem sich jeder genommen hatte, sagte Hellmer: »Was wollte Lura von dir am Sonntag?«
»Das ist eine heiße Geschichte …« Sie erzählte in knappen Worten von ihrem Gespräch mit Wolfram Lura und endete: »Diesen Dr. Hahn hat ein Kollege vom KDD ausfindig gemacht. Wir können um drei zu ihm kommen …«
»Augenblick«, unterbrach Hellmer sie mit mürrischem Gesichtsausdruck, »du willst damit sagen, dass ich heute bei diesem Sauwetter mit dir nach Oberursel fahren soll? Hätte das nicht bis morgen Zeit gehabt?«
»Ich kann auch alleine
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