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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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lieber Rolf ist also eine Art Schnipsler. Natürlich wird er alles abstreiten, wenn wir ihn darauf ansprechen, und das Gegenteil können wir ihm nicht beweisen. Außerdem wird sein Anwalt dem Gericht anschaulich verklickernkönnen, dass ein sechsundachtzigjähriger Mann, der Lura seit zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen hat, wohl kaum als kompetent zu betrachten ist. Uns bleibt nur eine einzige Möglichkeit – wir müssen das Versteck finden. Aber wo suchen wir?«, fragte sie und zündete sich eine Zigarette an.
    »Ich fürchte, uns bleibt nichts anderes übrig, als seine Mutter zu fragen. Wenn die beiden wirklich ein so inniges Verhältnis haben, dann weiß sie vermutlich mehr, als sie uns gegenüber zugegeben hat. Sie würde ihren Sohn schützen, selbst wenn er ein Serienkiller wäre. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ihr niemals erzählt hat, wo er sich rumgetrieben hat, wenn er als Kind mal wieder auf Tour war.«
    »Das können wir aber erst machen, wenn wir noch mehr in der Hand haben. Wenn wir jetzt seine Mutter in die Mangel nehmen …«
    »Wir haben doch nichts zu verlieren«, sagte Hellmer. »Wenn sie nicht weiß, wo der Kerl sich früher immer rumgetrieben hat, dann haben wir’s wenigstens versucht. Aber dieser Typ ist nicht mehr nur ein Schnipsler, er ist inzwischen zu einem Killer mutiert. Und eine innere Stimme flüsterte mir zu, dass er wieder an den Ort zurückgekehrt ist, an dem er sich als Kind oft aufgehalten hat. Wie ein Mörder, den es zwanghaft an den Ort des Verbrechens zurückzieht.«
    Es entstand eine Pause. Durant dachte über die letzten Worte von Hellmer nach und fragte dann: »Wieso hast du das eben gesagt?«
    »Was meinst du?«
    »Das mit dem Zurückkehren an den Ort des Verbrechens.«
    »Ich hab nur einen Vergleich gezogen.«
    »Das macht aber Sinn. Was, wenn die Morde an seiner Frau und Becker nicht seine ersten waren?«
    »Ach komm, das hab ich doch nur so dahingesagt. Ich wollte damit doch nur ausdrücken, dass er schon als Kind einen Ort gekannthaben muss, wo er völlig ungestört war. Und diesen Ort hat er jetzt für ein Verbrechen genutzt.«
    »Lass uns morgen mal alle ungeklärten Vermissten- und Mordfälle der vergangenen dreißig Jahre raussuchen, und zwar Personen zwischen fünfzehn und fünfzig …«
    »Und warum erst ab fünfzehn?«
    »Lura ist keiner, der sich an Kinder ranmacht. Der braucht erwachsene, ihm aber nicht ebenbürtige Personen, weil er selber unter starken Minderwertigkeitskomplexen leidet, glaub ich jedenfalls. Lura ist bei seiner Frau und Becker so raffiniert vorgegangen, das war meiner Meinung nach nicht das erste Mal, dass er gemordet hat. Das war die Arbeit von jemandem, der sich etwas beweisen wollte. Er wollte sich beweisen, dass er zu allem fähig ist und dass er das perfekte Verbrechen begehen kann. Und der braucht ein Ventil, um die aufgestauten Aggressionen loszuwerden. Auf der andern Seite will er uns unbewusst auf seine Spur führen, weil er ein Gefangener seiner Triebe, Obsessionen und unterdrückten Wünsche ist. Nur, er würde niemals zugeben, einen Mord begangen zu haben, weil das nicht zu der ihm anerzogenen Persönlichkeit gehört. Alles, was er macht, macht er perfekt. Er macht sein Abi mit achtzehn und mit der Traumnote eins, er studiert BWL und Psychologie und schafft beide Examen mit Auszeichnung, er macht aus einem mittelmäßigen Autohaus eins für die Superreichen, er ist der Perfektionist schlechthin. Wir sollten Richter einschalten und ihn um ein Profil bitten.«
    »Mach, was du willst, aber wirklich erst morgen. In einer Dreiviertelstunde fängt nämlich Fußball an.«
    »Heute hätte ich sowieso keinen Nerv mehr dazu. Aber wenn wir irgendwas finden, das wir mit Lura in Zusammenhang bringen könnten …«
    »Wenn, wenn, wenn. Schalt jetzt bitte dein Hirn ab und leiste Nadine Gesellschaft, damit ich in Ruhe fernsehen kann. Für heute ist jedenfalls Schluss.«

Sonntag, 20.30 Uhr
    Julia Durant hatte noch bei Hellmers zu Abend gegessen und sich gegen zwanzig Uhr verabschiedet. Sie fuhr jedoch nicht nach Hause, wie sie ihnen gesagt hatte, sondern ins Präsidium. Von unterwegs hatte sie sich zwei Dosen Bier und eine Tüte Chips mitgebracht. Sie würde bestimmt drei, vier Stunden im Büro sein. Nur in einigen wenigen Zimmern brannte Licht, entweder Kollegen, die Bereitschaft hatten und jetzt Karten spielten, oder Beamte des KDD, die ständig präsent sein mussten.
    Auf dem Weg nach oben begegnete sie niemandem.

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