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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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nicht einmal jetzt übel nehmen, dass sie mir den Mann ausgespannt hat. Ich hoffe, ich erfahre irgendwann einmal die ganze Wahrheit, denn so, wie Sie mir das vorhin geschildert haben, so kann ich mir das Ganze nicht vorstellen. Wie gesagt, Werner war ein äußerst lebensbejahender Mann, der niemals seinem Leben freiwillig ein Ende bereitet hätte. Aber vielleicht irre ich mich ja auch.« Und nach einer kurzen Pause, während der sie sich mit der Zunge ein paar Mal über die Lippen fuhr: »Ich hoffe, ich irre mich nicht, denn dann hätte ich ein echtes Problem. Und ich bitte Sie, mir nichts zu verschweigen, mir ist die Wahrheit lieber als die Ungewissheit. Seltsam, im Augenblick ist alles ruhig in mir, ich kann das nicht erklären. Als wäre Werner jetzt hier, um mich zu trösten. Haben Sie so etwas auch schon mal erlebt?«
    »Ja, als meine Mutter gestorben ist. Und auch bei andern habe ich das erlebt.«
    Die Türglocke schlug mit einem warmen, tiefen Ton an. »Das wird meine Mutter sein. Sie weiß noch gar nicht, weshalb sie kommen sollte. Vielleicht bleibt sie ja über Nacht, dann bin ich wenigstens nicht so allein. Obwohl ich das Alleinsein inzwischen gewohnt bin.«
    »Ich verabschiede mich dann mal. Ich lasse Ihnen auch meine Karte hier, Sie können mich jederzeit anrufen.«
    »Danke. Aber warten Sie doch noch, damit Sie meine Mutter kennen lernen.«
    Die Frau, die zur Tür hereinkam, war Corinna Becker wie ausdem Gesicht geschnitten, nur mit dem Unterschied, dass sie mindestens zwanzig Jahre älter war, aber wesentlich jünger aussah. Man hätte sie leicht für die Schwester halten können. Sie hatte halblange dunkelbraune Haare, braune Augen und den gleichen vollen Mund wie ihre Tochter. Sie war jugendlich und in hellen Farben gekleidet, ihre Bewegungen waren grazil und elegant.
    »Hallo, Mama. Das ist Frau Durant von der Kriminalpolizei, meine Mutter.«
    »Angenehm. Was macht die Polizei hier?«, fragte sie nicht unfreundlich und reichte Durant die Hand.
    »Ihre Tochter wird es Ihnen gleich erklären. Ich wollte sowieso gerade gehen. Auf Wiedersehen.«
    Im Lancia fragte Hellmer: »Sag mal, war das eben die Mutter oder die Schwester?«
    »Das war die Mutter. Hat sich toll gehalten, was?«
    »Mein lieber Scholli, die muss doch über fünfzig sein.«
    »Tja, manche Leute altern eben langsamer.«
    »Oder sie haben einen guten Chirurgen«, fügte Hellmer grinsend hinzu. »Und jetzt? Zu Luras Bruder?«
    »Ja. Was hat Peter gesagt?«
    »Lura wurde gerade operiert, ist aber außer Lebensgefahr. Ein Schuss in die Brust und einer in den Bauch.«
    »Und wann können wir mit ihm sprechen?«
    »Ab sechs, er muss erst mal aus der Narkose aufwachen und ein bisschen zu sich kommen.«
    »Dann mal los.«

Donnerstag, 16.50 Uhr
    Wolfram Lura saß zusammen mit seinem Neffen vor dem Fernseher, machte aber die Wohnzimmertür zu, bat die Kommissare in die Küche und schloss auch diese Tür.
    »Haben Sie schon Neuigkeiten?«, fragte er gespannt.
    »Ja, aber leider nichts Gutes«, antwortete Hellmer. »Ihre Schwägerin ist tot.«
    Lura holte sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf fallen, stützte die Ellbogen auf den Tisch und hielt seinen Kopf.
    »Sagen Sie, dass das nicht wahr ist. Nicht Gabi.«
    »Es tut mir Leid, aber es ist so«, erwiderte Hellmer.
    »Sparen Sie sich Ihr Mitgefühl. Gabi ist also tot. Und Rolf?«
    »Er liegt in der Uni-Klinik.«
    »Rolf lebt?«, fragte er und lachte höhnisch auf. »Fuck, fuck, fuck, dieser Scheißkerl überlebt wohl alles!«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Wollen Sie’s wirklich wissen?«, sagte er und schaute auf. Seine Augen funkelten wie die eines ausgehungerten Wolfs. »Wenn er draufgegangen wäre, das wär mir so was von scheißegal gewesen, das glauben Sie gar nicht. Aber Gabi … Und ich soll’s Markus sagen. Mein Gott, der arme Kerl bringt sich um. Wann ist es passiert?«
    »Gegen Mittag.«
    »Und warum kommen Sie erst jetzt?«
    »Herr Lura«, sagte Hellmer und ließ die Frage unbeantwortet, »nicht nur Ihre Schwägerin ist tot, sondern auch Dr. Becker.«
    »Becker?« Er sah die Beamten fragend an. »Wer ist Becker?«
    »Sie kennen ihn nicht? Dr. Werner Becker, Rechtsanwalt?«
    »Ach der. Klar, ich hab ihn mal getroffen, ist aber schon eine Ewigkeit her. Mindestens zehn oder zwölf Jahre.« Und als weder Hellmer noch Durant etwas erwiderten, sagte er: »Na, machen Sie schon, ich will wissen, was für eine Sauerei da passiert ist.«
    »Wir müssen erst alle Spuren auswerten und

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