Das verlorene Gesicht
in die Knie gehen, bloß weil sie die Frau des Präsidenten war. »Sie bedeuten mir nicht mehr als jeder andere. Ich brauche Sie nicht, Sie brauchen mich. Sonst wären Sie nicht hier.« Sie lächelte. »Da haben Sie Recht. Sie sind außergewöhnlich talentiert und effizient, und das weiß ich zu schätzen. Ich habe Timwick gesagt, dass ich es bewundernswert finde, wie Sie das Problem mit dem Barrett House gelöst haben.« Sie ließ einen Moment verstreichen. »Aber leider ist Timwick nicht so effizient und er wird allmählich nervös und unvernünftig. Er verärgert mich in letzter Zeit immer häufiger. Ist Ihnen klar, dass er lediglich meine Befehle ausführt?« »Nicht die des Präsidenten?« »Absolut nicht. Der hat nichts mit der Sache zu tun.« Er war enttäuscht. Es wäre ein Ruhmesblatt für ihn gewesen, einen Job für den mächtigsten Mann der freien Welt zu erledigen. »Dann müsste ich also mehr Geld verlangen, nicht wahr?« »Ach ja?« »Wenn er nicht eingeweiht ist, ist er eine potentielle Gefahr. Wenn er beteiligt wäre, könnte er mich beschützen. Sie dagegen können einen Scheiß.« »Sie wollen Schutz, Fiske? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe das Dossier über Sie gelesen und ich glaube nicht, dass das zu Ihren Prioritäten gehört. Sie sind ein Mann, der sich einzig auf sich selbst verlässt.« Er sah sie interessiert an. Gar nicht so dumm. »Geld ist Schutz.« »Ihre Honorarforderungen sind exorbitant. Sie haben wahrscheinlich genug Geld auf einem Schweizer Bankkonto, um wie ein König leben zu können.« »Ich bin mein Honorar wert.« »Selbstverständlich. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Sie sich längst an einem sicheren Ort hätten zur Ruhe setzen können. Also warum riskieren Sie weiterhin Ihren Hals?« »Man kann nie genug Geld haben.« Sie schüttelte den Kopf. »Es macht Ihnen Spaß. Sie lieben das Risiko. Sie lieben das Spiel. Es verschafft Ihnen tiefe Befriedigung, und je gefährlicher das Spiel, je größer das Risiko, umso besser gefällt es Ihnen. Sie genießen die Vorstellung, etwas zu tun, was niemand anders tun kann.« Sie überlegte. »Nichts auf der Welt ist schwieriger, als mit einem Mord davonzukommen, nicht wahr? Das ist die höchste Herausforderung, das interessanteste Spiel.« Himmel. Vielleicht war sie zu clever. »Möglich.« »Seien Sie nicht so argwöhnisch. Wir haben alle unsere Ziele. Ich finde Ihre Philosophie absolut vernünftig und zufällig kommt sie meinen Bedürfnissen genau entgegen. Darum habe ich Sie ausgewählt.« » Sie haben mich ausgewählt? Timwick hat sich für mich entschieden.« »Timwick hat mir eine ganze Reihe von Dossiers vorgelegt und er glaubt, wir hätten Sie gemeinsam ausgesucht. Ich habe Sie gewählt, Fiske. Ich wusste, dass Sie der Mann sind, den ich brauche.« Sie lächelte. »Und ich wusste, dass Sie der Mann sind, der mich braucht.« »Ich brauche niemanden.« »Da irren Sie sich. Ich bin diejenige, die das Risiko des Spiels erhöhen kann. Ich kann Ihnen eine Herausforderung bieten, von der Sie bisher nur träumen konnten. Finden Sie diese Vorstellung nicht aufregend?« Er antwortete nicht. Sie lachte in sich hinein. »Natürlich finden Sie das. Damit habe ich gerechnet. Wahrscheinlich haben Sie es satt, für Timwick zu arbeiten. Sie lieben herausfordernde Aufgaben – präzise, saubere Anweisungen. Sie werden sich nicht mit Geschwafel von mir abgeben müssen.« Da war er sich sicher. »Sie wollen Timwick ausschalten?« »Ich möchte, dass Sie nach Atlanta zurückkehren und Kessler unter die Lupe nehmen. Sie verhalten sich Timwick gegenüber, als wäre nichts geschehen, aber Sie befolgen meine Befehle und Sie sind nur mir gegenüber verantwortlich.« »Es würde mir die Entscheidung erleichtern, wenn ich wüsste, um was es hier überhaupt geht.« Sie musterte ihn. »Nein, das würde es nicht. Das interessiert Sie nicht. Sie halten alle unsere komplizierten Winkelzüge für idiotisch. Sie sind nur auf ein Stück Macht aus. Sie lieben Macht. Sie gehört zum Spiel.« Seine Mundwinkel zuckten. »Sie glauben, mich so gut zu kennen?« Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich kenne Sie gut genug, um Sie zu überleben.« »Wirklich?« Er legte ihr die Hände um den Hals. »Haben Sie sich jemals überlegt, wie schwierig es wäre, die First Lady zu töten und damit davonzukommen? Stellen Sie sich mal vor, was für ein Kick es für mich wäre, diesen Arschlöchern zu zeigen, wie blöd sie sind.« »Darüber habe ich nachgedacht.« Sie
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