Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verlorene Gesicht

Das verlorene Gesicht

Titel: Das verlorene Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
Vom Netzwerk:
Blick auf Garys Rücklichter vor ihnen auf der Straße. »Sprechen Sie aus Erfahrung? Wie nahe sind Sie dem Abgrund gekommen, Logan?« »Nah genug.« »Nein.« Sie wandte sich zu ihm hin. »Weichen Sie mir nicht aus. Das ist nicht fair. Sagen Sie’s mir. Sie wissen alles über mich.« »Das bezweifle ich. Sie sind eine vielschichtige Frau. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie ein paar Geheimnisse hätten.« »Sagen Sie’s mir.« »Was wollen Sie wissen?« »Der Abgrund.« »Ah, Sie wollen meine Narben sehen.« »Sie haben auch meine gesehen.« Er schwieg einen Moment lang. »Ich war verheiratet, als ich noch ziemlich jung war. Das war während der Zeit, als ich in Japan lebte. Sie war Eurasierin und die schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Sie hieß Chen Li.« »Sie sind geschieden?« »Sie ist an Leukämie gestorben.« Er setzte ein schiefes Lächeln auf. »Es war nicht wie bei Ihrem Verlust. Keine Gewalt. Außer von meiner Seite aus. Ich hätte am liebsten die ganze Welt in die Luft gejagt, als ich keine Möglichkeit fand, ihr zu helfen. Ich war damals ziemlich von mir eingenommen und davon überzeugt, ich könnte jeden Berg bezwingen. Tja, diesen konnte ich nicht bezwingen. Es dauerte ein Jahr, bis sie starb, und ich musste hilflos zusehen. Ist Ihnen die Narbe tief genug?« Sie wandte sich ab und schaute in die Dunkelheit hinaus. »Ja, sie ist tief genug.« »Und, kennen Sie mich jetzt besser?« Sie antwortete nicht. »Haben Sie sie geliebt?« »O ja, ich habe sie geliebt.« Er sah sie an. »Wissen Sie, Sie hätten mich das nicht fragen sollen. Sie haben ein weiches Herz und es wäre leichter für Sie, mich zu verabscheuen, wenn Sie nicht wüssten, dass ich genauso menschlich bin wie jeder andere.« Es stimmte. Verständnis machte es immer schwierig, jemandem gegenüber feindselig zu sein. Gerade seine Zurückhaltung unterstrich den Schmerz, den er durchlitten hatte. »Ich habe nie bezweifelt, dass Sie menschlich sind.« »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.« Er wechselte das Thema. »Tellers Labor ist womöglich noch geschlossen, wenn wir in Bainbridge ankommen. Wahrscheinlich werden wir in ein Motel gehen und bis morgen früh warten müssen.« »Können wir ihn nicht anrufen oder sonst was? Vielleicht könnte Gary –« »Kessler wird schon genug Misstrauen wecken, wenn er anfängt, Teller unter Druck zu setzen. Es wäre ein bisschen übertrieben zu verlangen, dass er seinen Laden offen hält, bis wir ankommen.« Er hatte zweifellos Recht, aber sie wollte um Himmels willen schnell handeln. »Sie verstehen das nicht. Es dauert manchmal Wochen, bis man ein zuverlässiges Ergebnis einer DNA-Analyse hat. Gary wird Teller bitten, es in ein paar Tagen zu erledigen. Private Labors können manchmal schneller arbeiten, weil sie nicht so mit Aufträgen überlastet sind, aber für uns zählt jede Minute.« »Könnte etwas von meinem schmutzigen Geld ihn dazu bewegen, ein paar Überstunden zu machen?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Nach Garys Beschreibung scheint er sich mit Herz und Seele seinem Beruf zu widmen.« »Trotzdem muss er seine Hypothek abbezahlen. Kessler schien davon auszugehen, dass Teller Geld brauchen könnte.« Er hatte Recht. Vielleicht irrte sie sich. Geld konnte vieles bewegen. Sie selbst hatte sich von dem Köder verlocken lassen, mit dem er vor ihrer Nase gewedelt hatte. »Lassen wir es Gary zuerst auf seine Weise versuchen.« »Nehmen Sie’s mir nicht übel. Ich wollte nur helfen.« »Das weiß ich. Warum sollte ich Ihnen das übel nehmen? Geld stinkt doch nicht.« Er sah sie überrascht an. »Ich mag es einfach nicht, wenn es als Druckmittel eingesetzt wird.« »Aber gegen ein bisschen Bestechung haben Sie nichts einzuwenden?« »In gewissen Fällen.« Er lächelte. »Wie der Adam-Stiftung?« »Verdammt, ja.« »Auch wenn ich es benutzt habe, um Sie zu täuschen?« »Nein, das war nicht in Ordnung.« Sie sah ihm in die Augen. »Aber ich habe es zugelassen. Ich bin nicht blöd. Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte, aber ich bin das Risiko eingegangen. Es war nicht wie bei Ihnen – ich hatte keine Angst, dass jemand einen Fehler machen könnte und dass wir alle dabei draufgehen könnten. Ich dachte, das Geld würde einem guten Zweck dienen, und ich war bereit, dafür ein Risiko einzugehen. Wenn ich nicht mit Ihnen gekommen wäre, wäre all das nicht passiert. Ich steckte nicht in Schwierigkeiten und meine Mutter lebte in Sicherheit.« Sie zuckte die Achseln. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher