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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Bewunderers, worauf der Perlenbesatz und die Goldstickerei schließen ließen.
    Trotz der Feierlichkeit und dem Prunk spürte Alaïs unterschwellige Angst und Misstrauen.
    Sie bemerkte François erst, als er sie leicht am Arm berührte. »Esclarmonde ist wieder da«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Ich komme direkt von ihr.«
    Alaïs fuhr herum und sah ihn an. »Hast du mit ihr gesprochen?«
    Er zögerte. »Das nicht, Herrin.«
    Sogleich trat sie aus der Prozession heraus. »Ich gehe zu ihr.« »Herrin, vielleicht solltet Ihr warten, bis der Gottesdienst beendet ist?«, schlug er vor und warf einen Blick zum Eingang der Kirche. Alaïs folgte seinen Augen. Drei Mönche mit schwarzen Kapuzen standen Wache und passten offensichtlich auf, wer hineinging und wer nicht. »Es wäre bedauerlich, wenn Euer Fehlen ein schlechtes Licht auf Dame Agnès oder Euren Vater werfen würde. Das könnte als Zeichen Eurer Sympathie für den neuen Glauben gedeutet werden.«
    »Natürlich, ja.« Sie überlegte einen Moment. »Aber sag Esclar monde bitte, dass ich zu ihr komme, sobald ich kann.«
     
    Alaïs tauchte die Finger in den bénitier und bekreuzigte sich mit Weihwasser, für den Fall, dass sie beobachtet wurde.
    Sie suchte sich einen Platz im dicht gefüllten nördlichen Querschiff, möglichst weit weg von Oriane, ohne dass es allzu sehr auffiel. Kerzen flackerten hoch über dem Schiff in Leuchtern an der Decke. Von unten betrachtet, sahen sie aus wie gewaltige Stahlräder, die jeden Augenblick herabstürzen und die Sünder auf der Erde zerschmettern könnten.
    Der Bischof war überrascht, seine in letzter Zeit stets leere Kirche derart voll zu sehen, und seine Stimme war dünn und kraftlos, kaum vernehmbar über die Köpfe der zahllosen Menschen hinweg, die unruhig in der Hitze schnauften. Was für ein Gegensatz zu der Schlichtheit von Esclarmondes Kirche.
    Und der Kirche ihres Vaters.
    Die Bons Homes schätzten den inneren Glauben höher ein als äußerliche Pracht. Sie brauchten keine geweihten Bauten, keine abergläubischen Rituale, keinen demütigen Gehorsam. Das alles diente nur dazu, gewöhnliche Menschen auf Abstand zu Gott zu halten. Sie verehrten keine Bilder und warfen sich nicht vor Götzenbildern oder Foltergeräten auf die Knie. Für die Bons Chrétiens lag die Kraft Gottes im Wort. Sie brauchten nur
    Bücher und Gebete, das gesprochene und vorgelesene Wort. Erlösung hatte nichts mit Almosen oder mit Sabbatgebeten zu tun, gesprochen in einer Sprache, die nur die Priester verstanden.
    In ihren Augen standen alle gleichermaßen in der Gnade des Heiligen Vaters - Juden oder Sarazenen, Mann und Frau, die Tiere auf der Erde und die Vögel in der Luft. Es würde keine Hölle geben, keinen Tag des Jüngsten Gerichts, weil alle durch Gottes Gnade errettet werden würden, wenngleich auch manche dazu bestimmt waren, das Leben viele Male zu durchleben, ehe sie Gottes Königreich erlangten.
    Alaïs hatte zwar noch nie an einem ihrer Gottesdienste teilgenommen, aber durch Esclarmonde waren ihr die Worte der Gebete und Rituale vertraut. Entscheidend war, dass die Bons Chrétiens in diesen bedrohlichen Zeiten gute Menschen waren, duldsame Menschen, friedliebende Menschen, die einen Gott des Lichtes verehrten, anstatt sich vor dem Zorn eines grausamen Gottes zu ducken, wie die Katholiken das taten.
    Endlich vernahm Alaïs die Worte des Benedictus. Das war ein günstiger Augenblick, sich unauffällig davonzuschleichen. Sie neigte den Kopf. Langsam, um ja keine Aufmerksamkeit zu erregen, die Hände noch immer gefaltet, schob Alaïs sich allmählich zum Ausgang.
    Wenige Augenblicke später war sie frei.

Kapitel 35
     
    E sclarmondes Haus lag im Schatten des Tour du Balthazar. Alaïs zögerte noch einen Moment, ehe sie an den Fensterladen klopfte. Durch das große Fenster zur Straße sah sie ihre Freundin drinnen umhergehen. Sie trug ein schlichtes grünes Gewand, und ihr grau gesträhntes Haar war nach hinten gebunden.
    Ich weiß, dass ich Recht habe.
    Alaïs verspürte tiefe Zuneigung zu Esclarmonde. Sie war sicher, dass sich ihre Vermutung als richtig erweisen würde. Esclarmonde blickte auf und winkte. Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht. » Alaïs . Herzlich willkommen. Wir haben Euch vermisst, Sajhë und ich.«
    Der vertraute Duft nach Kräutern und Gewürzen drang Alaïs in die Nase, sobald sie durch die Tür in das ebenerdige Zimmer getreten war. Über einem kleinen Feuer in der Mitte des Raumes kochte Wasser in einem Topf. Ein

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