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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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leiden gehabt und glaubte inzwischen, dass es für die Schätze der Vergangenheit geeignetere Hüter gab. Sie nahm das Geld, und die Leute bekamen, was sie haben wollten. Alle waren zufrieden. Was danach passierte, war nicht Shelaghs Problem.
    Im Grunde, so gestand sie sich ein, hatte sie es schon lange vor dem zweiten Telefonanruf mit der Angst zu tun bekommen, auf jeden Fall Wochen bevor sie Alice eingeladen hatte, sich ihr am Pic de Soularac anzuschließen. Und als dann Yves Biau Kontakt zu ihr aufgenommen hatte und sie sich gegenseitig ihre Geschichte erzählt hatten ... Ihre Brust schnürte sich noch fester zu.
    Wenn Alice irgendwas zustieß, dann war das ihre Schuld.
    Sie erreichten das Bauernhaus, ein mittelgroßes Gebäude umgeben von baufälligen Nebengebäuden, einer Garage und einem Weinschuppen. Von den Fensterläden und der Vordertür blätterte der Lack ab, und die dunklen Fenster waren nur leere Höhlen. Zwei Autos parkten davor, ansonsten wirkte alles völlig verlassen.
    Ringsherum hatte sie einen freien Blick auf Berge und Täler. Wenigstens war sie noch in den Pyrenäen. Aus irgendeinem Grund gab ihr das Hoffnung.
    Die Tür stand auf, als würden sie erwartet. Drinnen war es kühl und auf den ersten Blick menschenleer. Alles war mit dickem Staub bedeckt. Es sah aus, als wäre das Haus einst ein Hotel oder eine auberge gewesen. Geradeaus war eine Rezeption, und dahinter an der Wand befand sich eine Reihe leerer Haken, als hätten früher dort die Zimmerschlüssel gehangen.
    Er zerrte an dem Strick, damit sie weiterging. Aus der Nähe roch er nach Schweiß, billigem Aftershave und kaltem Tabakrauch. Shelagh hörte Stimmen aus, einem Zimmer links von sich. Die Tür stand einen Spalt offen. Sie riskierte einen Seitenblick und sah einen Mann, der vor einem Fenster stand, mit dem Rücken zu ihr. Lederschuhe und helle Sommerhose.
    Sie wurde die Treppe hinaufgestoßen, dann einen Flur entlang und eine schmale, niedrige Treppe hoch auf einen stickigen Speicher, der fast die gesamte Grundfläche des Hauses einnahm. Vor einer Metalltür blieben sie stehen.
    Der Mann öffnete die Riegel und stieß Shelagh so heftig ins Kreuz, dass sie nach vorn fiel. Sie schlug hart auf, prallte mit dem Ellbogen auf den Boden, während er die Tür hinter ihr zuknallte. Shelagh stand auf und warf sich trotz der Schmerzen gegen die metallverstärkte Tür, schrie und hämmerte mit den Fäusten, ohne jedoch etwas auszurichten.
    Schließlich gab sie auf, drehte sich um und sah sich den Raum genauer an. Vor der hinteren Wand lag eine Matratze mit einer ordentlich gefalteten Decke darauf.
    Gegenüber der Tür war ein kleines Fenster, von innen mit Metallstangen gesichert. Steifbeinig ging Shelagh durch das Zimmer und stellte fest, dass sie jetzt auf der rückwärtigen Seite des Hauses war. Die Stangen waren solide und rührten sich nicht, als sie daran rüttelte. Außerdem ging es auf der anderen Seite des Fensters steil abwärts.
    In der Ecke war ein kleines Handwaschbecken, und daneben stand ein Eimer. Sie erleichterte sich und drehte mit einiger Mühe den Wasserhahn auf. Die Rohre spuckten und husteten wie ein Kettenraucher, aber nach einigen Fehlstarts kam doch ein dünnes Rinnsal Wasser. Shelagh legte die hohlen Hände darunter und trank und trank, bis sie fast Bauchschmerzen bekam. Dann wusch sie sich, so gut es ging, betupfte die wunden und blutverkrusteten Stellen an Hand- und Fußgelenken.
    Kurz darauf brachte ihr der Mann etwas zu essen. Mehr als sonst.
    »Warum bin ich hier?«
    Er stellte das Tablett in der Mitte des Raumes ab.
    »Warum haben Sie mich hergebracht? Pourquoi je suis lä?«
    »Il te le dira.«
    »Wer will denn mit mir sprechen?«
    Er zeigte auf das Essen. »Mange.«
    »Wer?«, wiederholte sie. »Sagen Sie es mir doch.«
    Er stieß das Tablett mit der Fußspitze an. »Essen.«
    Als er gegangen war, machte sich Shelagh über das Essen her. Sie aß restlos alles, sogar das Gehäuse des Apfels, trat dann wieder ans Fenster. Die Sonne stand hell über dem Bergkamm und färbte die Welt blendend weiß.
    In der Ferne hörte sie das Geräusch eines Wagens, der sich langsam dem Bauernhof näherte.

Kapitel 42
Sallèles d'Aude
     
    K arens Wegbeschreibung war gut. Eine Stunde nach ihrer Abfahrt aus Carcassonne erreichte Alice die Außenbezirke von Narbonne. Sie folgte den Schildern Richtung Cuxac d'Aude und Capestang auf einer hübschen Straße, die von hohem Bambus und wilden, im Wind wippenden Gräsern gesäumt wurde.

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