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Das Verlorene Labyrinth

Das Verlorene Labyrinth

Titel: Das Verlorene Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Verteidigung zu organisieren.«
    Er hielt inne und schluckte trocken. Selbst Congost, der über sein Pergament gebeugt saß, blickte auf.
    »Der Morgen des zweiundzwanzigsten Juli dämmerte ruhig herauf. Es war heiß, schon bei Sonnenaufgang. Eine kleine Schar Kreuzfahrer, Männer aus dem Tross, nicht mal reguläre Soldaten, ging zum Fluss, unmittelbar unterhalb der Festungsanlagen im Süden der Stadt. Sie wurden von den Mauern herab beobachtet. Es fielen gegenseitige Beleidigungen. Einer der routiers spazierte auf die Brücke, prahlte und fluchte. Das erzürnte unsere jungen Männer auf den Mauern derart, dass sie sich mit Lanzen und Keulen bewaffneten und sogar irgendwo eine Trommel und ein Banner auftrieben. Fest entschlossen, dem Franzosen eine Lehre zu erteilen, öffneten sie das Tor und stürmten den Hang hinunter, bevor irgend wer recht wusste, was geschah. Lauthals brüllend fielen sie über den routier her und töteten ihn. Seinen Leichnam warfen sie von der Brücke in den Fluss.«
    Pelletier schielte zu Vicomte Trencavel hinüber. Sein Gesicht war weiß.
    »Die Menschen in der Stadt riefen den jungen Burschen von den Mauern aus zu, sie sollten zurückkommen, aber sie strotzten vor Selbstbewusstsein und wollten nicht hören. Durch den Lärm war der Hauptmann der Söldner aufmerksam geworden, der Roi, wie die Franzosen ihn nennen. Als er das Tor offen sah, gab er den Befehl zum Angriff. Endlich begriffen die jungen Männer die Gefahr, aber es war zu spät. Die routiers erschlugen sie auf der Stelle. Die wenigen, die es zurück schafften, wollten noch das Tor schließen, doch die routiers waren zu schnell, zu gut bewaffnet. Sie eroberten das Tor und hielten es offen.
    Im Nu stürmten die Franzosen daraufhin die Mauern mit Spitzhacken, Breithacken und Sturmleitern. Bernard de Servian konnte den Ansturm nicht abwehren, es ging alles zu schnell.
    Die Söldner hielten das Tor.
    Sobald die Kreuzfahrer in der Stadt waren, begann das Gemetzel. Überall lagen Körper herum, tot und verstümmelt, wir wateten knietief durch Blut. Kinder wurden aus den Armen ihrer Mütter geschnitten und auf Speer- und Schwertspitzen aufgespießt. Köpfe wurden von Rümpfen geschlagen und auf die Zinnen gesteckt, wo die Krähen an ihnen herumpicken konnten, damit es so aussah, als würden blutige Fratzen, wie die an den Kathedralen, auf unsere Niederlage herabglotzen, nur diesmal aus Fleisch und Blut, nicht aus Stein. Sie schlachteten alle ab, auf die sie stießen, ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht.«
    Vicomte Trencavel konnte nicht länger schweigen. »Aber wieso haben die Legaten oder die französischen Edelleute das Gemetzel nicht beendet? Wussten sie nichts davon?«
    De Murviel hob den Kopf. »Sie wussten es, Messire.«
    »Aber ein Massaker an Unschuldigen geht gegen alle Ehre, alle Regeln des Krieges«, sagte Pierre-Roger de Cabaret. »Ich kann nicht glauben, dass der Abt von Cîteaux bei all seinem Eifer und Hass auf die Häresie das Abschlachten christlicher Frauen und Kinder im Zustand der Sünde billigen würde.«
    »Es heißt, der Abt wurde gefragt, wie man denn die guten Katholiken von den Häretikern unterscheiden könne. >Tuez- les tous. Dieu reconnaîtra les siens<«, sagte de Murviel tonlos. »>Tötet sie alle. Gott wird die Seinen schon erkennen.< Zumindest geht das Gerücht, dass er das gesagt hat.«
    Trencavel und de Cabaret wechselten einen Blick.
    »Weiter«, befahl Pelletier grimmig. »Erzählt Eure Geschichte zu Ende.«
    »Die großen Glocken von Besièrs läuteten Alarm. Frauen und Kinder flüchteten sich in die Kirche von Sant-Jude und die Kirche Santa Maria Magdalena in der Oberstadt, Tausende von Menschen, zusammengedrängt wie in einem Pferch. Die katholischen Priester legten den Ornat an und sangen das Requiem, doch die Kreuzfahrer brachen die Türen auf und erschlugen sie alle.«
    Seine Stimme zitterte. »Innerhalb von wenigen kurzen Stunden war unsere gesamte Stadt in ein Schlachthaus verwandelt worden. Dann begannen die Plünderungen. Unsere schönen Häuser wurden raffgierig und barbarisch ausgeraubt. Erst jetzt versuchten die französischen Edelleute, jedoch aus Habgier, nicht aus Gewissensbissen, die routiers zu zügeln. Die wiederum wurden wütend, weil sie ihrer wohlverdienten Beute beraubt werden sollten, daher steckten sie die Stadt in Brand, damit niemand noch irgendeinen Nutzen aus ihr ziehen konnte. Die Holzhütten der Armenviertel brannten wie Zunder. Die hölzernen Dachbalken der

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