Das Verlorene Labyrinth
hat, entweder auf Befehl von Madame de l'Oradore oder auf eigene Initiative.«
Der Ventilator in seinem Büro war kaputt, und Noubel schwitzte heftig. Er spürte, wie sich die Schweißringe in seinen Achselhöhlen ausbreiteten.
»Das ist sehr mager, Noubel.«
»Madame de l'Oradore war von Dienstag bis Donnerstag in Carcassonne, Chef. Sie hat sich zweimal mit Authié getroffen. Und ich glaube, dass sie mit ihm zum Pic de Soularac gefahren ist.« »Das ist nicht verboten, Noubel.«
»Als ich heute Morgen ins Büro kam«, sagte er, »hatte ich auf dem Anrufbeantworter folgende Nachricht, die mich veranlasst hat, Sie herzubitten.«
Noubel drückte auf den Startknopf des Gerätes. Jeanne Girauds Stimme erfüllte den Raum. Der Polizeichef hörte aufmerksam zu, und seine Miene wurde von Sekunde zu Sekunde finsterer. »Wer ist die Frau?«, fragte er, nachdem Noubel die Nachricht ein zweites Mal abgespielt hatte.
»Die Großmutter von Yves Biau.«
»Und Audric Baillard?«
»Ein Schriftsteller und Freund. Er hat sie zum Krankenhaus in Foix begleitet.«
Der Polizeichef stützte die Hände auf die Hüften und senkte den Kopf.
Noubel sah ihm an, dass er abschätzte, was sie zu befürchten hatten, falls die Beweise gegen Authié nicht ausreichten.
»Und Sie sind hundertprozentig sicher, dass Sie die Verbindung von Domingo und Braissart zu Biau und Authié nachweisen können?«
»Die Personenbeschreibungen passen haargenau, Chef.«
»Die passen auf die Hälfte der männlichen Bevölkerung«, knurrte er.
»O'Donnell wird seit drei Tagen vermisst, Chef.«
Der Polizeichef seufzte und erhob sich schwerfällig vom Schreibtisch.
»Wie wollen Sie vorgehen, Noubel?«
»Zuerst einmal Braissart und Domingo festnehmen.«
Er nickte.
»Außerdem brauche ich einen Durchsuchungsbefehl. Authié hat mehrere Häuser und Grundstücke, unter anderem einen heruntergekommenen Bauernhof in den Sabarthès -Bergen, der auf den Namen seiner Exfrau eingetragen ist. Falls O'Donnell hier in der Gegend festgehalten wird, dann wahrscheinlich dort.«
Der Polizeichef schüttelte nachdenklich den Kopf.
»Wenn Sie vielleicht den Präfekten persönlich anrufen würden ...«, schlug Noubel vor und wartete.
»Na schön, na schön.« Er zeigte mit einem nikotingelben Finger auf ihn. »Aber eines kann ich Ihnen sagen, Claude, wenn Sie das verbocken, dann baden Sie das allein aus. Authié ist ein einflussreicher Mann. Und Madame de l'Oradore ...« Er ließ den Arm sinken. »Wenn Sie die Sache nicht wasserdicht machen, dann reißen die Sie in Stücke, und ich werde sie nicht daran hindern können.«
Er drehte sich um und ging zur Tür, drehte sich dann noch einmal um. »Helfen Sie mir doch mal bei diesem Baillard auf die Sprünge. Kenne ich den? Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Schreibt über die Katharer. Ist außerdem Experte für das alte Ägypten.«
»Nein, das war's nicht...«
Noubel wartete. »Nein, ich komm nicht drauf«, sagte der Polizeichef. »Aber es könnte durchaus sein, dass Madame Giraud sich da was einbildet.«
»Könnte sein, Chef, aber wissen Sie, es ist mir nicht gelungen, diesen Baillard ausfindig zu machen. Seit er Mittwochabend das Krankenhaus mit Madame Giraud verlassen hat, wurde er von niemandem mehr gesehen.«
Der Polizeichef nickte. »Ich rufe Sie an, wenn der Papierkram fertig ist. Sind Sie hier?«
»Eigentlich«, sagte Noubel vorsichtig, »hab ich gedacht, ich spreche noch mal mit dieser Engländerin. Sie ist eine Freundin von O'Donnell. Vielleicht weiß sie ja was.«
»Wie gesagt, ich ruf Sie dann an.«
Sobald sein Chef gegangen war, machte Noubel ein paar Anrufe, dann schnappte er sich sein Jackett und eilte zum Auto. Er schätzte, dass er ausreichend Zeit hatte, nach Carcassonne und wieder zurück zu fahren, ehe die Unterschrift des Präfekten unter dem Durchsuchungsbefehl getrocknet war.
Um halb fünf saß Noubel im Büro seines Carcassonner Kollegen Arnaud Moureau, eines alten Freundes von ihm. Noubel wusste, dass er mit ihm unbefangen reden konnte.
»Dr. Tanner hat gesagt, sie wohnt im Hotel Montmorency.« Wenige Minuten später hatten sie überprüft, dass sie tatsächlich dort ein Zimmer hatte. »Schönes Hotel direkt vor den Mauern der Cité, keine fünf Minuten von der Rue de la Gaffe. Soll ich fahren?«
Die Frau am Empfang war die ganze Zeit sehr verstört, als die zwei Polizeibeamten sie befragten. Sie war eine schlechte Zeugin und die meiste Zeit den Tränen nahe. Noubel wurde
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