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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
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strahlend blauen Himmel, und die Geräusche der zusammengetriebenen Kühe drangen zu ihnen herüber.
    Sie hatten Peter Atchison begraben. Er war unter einem Kastanienbaum aus größerer Entfernung von der Kugel eines Road Agent niedergestreckt worden. Er hatte sich um die Pferde gekümmert. Die Stimmung unter den Mormonen war gedrückt, ihre Führer überlegten, ob sie die Herde nicht auf die andere Seite der Stadt treiben sollten, um dort einige Tage auszuruhen, bevor sie wieder aufbrachen.

    Miguels Tochter, die einige Meter vor ihm neben Adam und Orin und der wiederhergestellten Sally Gray gegangen war, verließ die Gruppe und wartete, bis ihr Vater, Aronson und D’Age bei ihr angekommen waren.
    »Ich muss einen Moment mit meiner Tochter sprechen«, sagte Miguel.
    Aronson und D’Age nickten. »Natürlich.«
    Sofia wirkte noch immer sehr steif, kalt und suchte ständig die Umgebung ab. Miguel erinnerte sich an jene Zeiten, als seine Lieblingstochter sich für alles Neue um sie herum interessiert und großen Forschergeist gezeigt hatte. Er legte eine Hand auf ihre Schulter und führte sie zur Seite. Sofia kam mit, ohne sich zu sträuben, was Miguel nicht mehr so selbstverständlich vorkam.
    »Ist mit dir alles in Ordnung, Sofia?«, fragte er auf Spanisch. Er wollte nicht, dass jemand ihre Unterhaltung mitverfolgen konnte.
    Nachdem sie ihre Überraschung wegen des Sprachwechsels überwunden hatte, sagte Sofia freundlich: »Ich denke schon.«
    Dies war nicht der erste Tag gewesen, an dem sie mit dem Tod konfrontiert worden war, aber es war das erste Mal gewesen, dass sie zugesehen hatte, wie Männer absichtlich und planvoll getötet wurden. Falls man das im Zusammenhang mit dieser chaotischen Exekution überhaupt sagen konnte.
    »Es tut mir leid, was letzte Nacht passiert ist«, sagte er. »Ich habe die Kontrolle über mich verloren.«
    »Ich verstehe«, sagte Sofia in einem apathischen Ton.
    »Wirklich?«, fragte er. »Kannst du das wirklich verstehen? Du bist alles, was mir geblieben ist. Du bist meine Zukunft. Und auch meine Vergangenheit. Alle, die jemals zu uns gehört haben, leben in dir weiter. Unsere ganze Familie. Du bist alles. Deshalb bist du so wichtig für mich, aber vor allem weil ich dich liebe, mehr als jeden und
alles andere auf der Welt. Wie könnte es auch anders sein? Verstehst du jetzt, warum es so wichtig für mich ist, dich in Sicherheit zu bringen?«
    Sie legte den Kopf schräg und schaute ihn an. Das war auch so eine neue Angewohnheit von ihr. »Wo gibt es denn das noch, echte Sicherheit, Papa? Kannst du mir das sagen?«
    »In Kansas City natürlich«, antwortete er.
    »Bist du dir da sicher? Bist du dir da wirklich sicher?«
    »Dort sind die Bundestruppen …«
    »Und was ist mit der Energiewelle, Papa?«, fragte sie. »Die Americanos, die so unglaublich mächtig waren, wurden durch diese Welle von Gottes Erde gefegt. Wo ist es denn noch sicher?«
    »Die Welle kommt nicht wieder.«
    »Wie kannst du das wissen?«, fragte Sofia. »Wie kannst du dir überhaupt bei irgendetwas sicher sein, Papa? Ich weiß nur eines ganz genau – dass das Gefühl von Sicherheit eine Illusion ist. Oder kannst du mir etwas Besseres sagen?«
    Miguel schüttelte den Kopf. Er hatte noch nie derartige Probleme mit Sofia gehabt. Sie hatte noch nie seine Autorität infrage gestellt. Wieder merkte er, wie er beinahe wütend wurde, und beeilte sich, diesen Zorn zu besänftigen.
    »Papa«, sagte sie und fasste ihn am Oberarm. Ihr Griff war kräftig und fest. »Wir müssen einander beschützen. Wir sind alles, was wir noch haben. Und ob es dir gefällt oder nicht, ich werde alles tun, um dich zu beschützen. Vor deinem Gürtel habe ich keine Angst mehr, jetzt nicht mehr.«
    Er blieb stehen und schaute sie an. In gewisser Weise hatte er sie verloren. Seine fröhliche, lachende Tochter, seine Prinzessin war genauso verschwunden wie der Rest seiner Familie. An ihre Stelle war eine andere getreten, eine kalte, harte …

    … Frau, stellte er fest.
    »Papa.« Jetzt klang ihre Stimme wieder mehr so wie vor Jahren, wenn er sie hoch über seinen Kopf gehoben hatte. »Ich liebe dich so sehr, und ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren.«
    Er nahm sie in die Arme und zog sie fest an sich, als wäre es das letzte Mal. Er erinnerte sich an den Tag, als er ihr diese ganzen dummen Spielsachen aus dem McDonald’s gebracht hatte, und wie viel Spaß sie damit gehabt hatte. Vor allem, weil ihr Vater sie ihr gebracht hatte. Er

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