Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Birmingham
Vom Netzwerk:
reden. Restaurants, über denen noch immer die früheren Namenszüge hingen, waren nun in Gemüseläden, Halal-Schlachtereien oder in einem Fall sogar in eine Tierhandlung umfunktioniert worden. Die neuen Inhaber hatten auch das Schild einer Woolworth-Kaufhalle an der Hermannstraße übermalt, das alte Logo abgekratzt und durch ein handgeschriebenes Plakat ersetzt, auf dem zu lesen war, dass sie nun für das Dahabshiil Spendenbüro in Berlin als Transferstelle arbeiteten. Im Vorbeifahren schien es auch, als würde die ehemalige Kaufhalle als Möbellager und Teppichhandel dienen.
    Überall, wo sie hinkamen, sahen sie aufgebaute Tapeziertische, auf denen sich Kleider, elektronische Geräte und Haushaltsartikel stapelten. Zahlreiche Kunden scharten sich darum, die heftig gestikulierend mit den Verkäufern handelten. Je länger Caitlin sich das anschaute, umso mehr war sie davon überzeugt, dass sie mehr an Echelon zu berichten hatte, als auf eine kleine Aktennotiz gehen würde. Hier blühte ein Wohlstand, der ganz offensichtlich gestohlen war, und das, was sie hier sah, war zweifellos nur die Spitze des Eisbergs. Diese Betriebsamkeit hier, die überall sonst in Europa nicht zu beobachten war, sprach eine deutliche Sprache bezüglich der neuen Machtverhältnisse. Schon allein um die Logistik zu bewältigen, die nötig war, um diese Waren über den Atlantik und durch
die deutschen Grenzkontrollen zu schaffen – sehr wahrscheinlich auch noch durch andere Länder, zum Beispiel Frankreich -, deutete auf ziemlich gute Planung hin. Das musste nicht notwendigerweise alles von einer einzigen Organisation bewältigt werden, sondern konnte auch von einer unbekannten Anzahl von Netzwerken in Zusammenarbeit geleistet werden. Möglicherweise gab es zwischen den einzelnen Teilen dieses Netzwerks auch Konkurrenz und Konflikte.
    Aber das war nicht direkt Caitlins Fachgebiet und hatte nichts mit ihrem eigentlichen Auftrag zu tun. Andere Agenten würden sich zweifellos mit diesem Thema beschäftigen. Ihr Interesse kam daher, dass al-Bannas Spur direkt hierherführte, und sie konnte kaum glauben, dass Baumer mit alledem nichts zu tun hatte. Es war sehr gut möglich, dass er den Transport von Menschen und Gütern und den Gewinn, der sich daraus ergab, für seine Ziele nutzte, was immer das für Ziele waren. Als sie an einem Afro-Net-Café an der Werbellinstraße vorbeikamen, entschied sie, dass es an der Zeit war, das herauszufinden.
    »Okay, Sadie, lass uns mal ins Rollbergviertel fahren. Dort können wir was essen, und ich möchte mal das kleine Quartiersbüro dort in Augenschein nehmen.«
    »Kannst du mir sagen, warum?«, fragte Mirsaad.
    »Lieber nicht. Ich bin auf der Suche nach jemandem. Jemand, der mit dem Mann in Verbindung steht, auf den ich angesetzt bin.«
    »Geht es um den, der hinter den Anschlägen auf deine Farm steckt?«
    »Das Ziel war nicht die Farm. Sie haben versucht, Bret und Monique einige Meilen von zu Hause entfernt zu entführen. Aber genau um diese Person geht es, ja.«
    Der Jordanier zuckte mit den Schultern. »Es ist sowieso bald Zeit fürs Mittagessen, und dann kann ich mir schon mal Notizen über unsere morgendliche Tour machen. Das
ist ein spannendes Viertel, findest du nicht? Voller Leben, aber auch voller dunkler Geheimnisse.«
    Er lenkte den Lada in eine Querstraße, die zur Rollbergstraße führte. An einer Straßenecke lungerte eine Gruppe Jugendlicher herum, einer trug ein T-Shirt, auf das die kurdische Fahne gedruckt war. Eine tapfere Entscheidung, dachte sie, wenn man bedenkt, dass hier vor allem Türken wohnen. Es war die einzige Ansammlung von jungen Männern, die sie an diesem Morgen gesehen hatte. Im Straßenbild von Neukölln herrschten Frauen und Kinder vor, auch ältere Männer waren zu sehen, wie der Türke, dem Mirsaad das weiße Hemd abgekauft hatte. Außerdem viele gut genährte Männer mittleren Alters, die sich mit der typischen arroganten Körperhaltung fortbewegten, die demonstrieren sollte, dass sie in dieser Welt das Sagen hatten.
    Es waren vergleichsweise wenige junge Männer zu sehen.
    Das merkte man kaum, weil man die ganze Zeit von Frauen in dunklen Burkas in den Bann gezogen wurde.
    Es schien so, als wären die meisten jungen Männer aus Neukölln in den Krieg gezogen.
     
    Sie erlaubte Mirsaad, ihr Mittagessen zu bestellen, ein Fladenbrot mit Falafel und ein Glas ungesüßten schwarzen Tee. Es wäre ihr sowieso nicht gestattet gewesen, selbst zu bestellen. Undeutlich hörte sie,

Weitere Kostenlose Bücher